Das Chamäleon-Korps
Arlow. „Sie hat das genaue Gegenteil von einem Gedächtnisschwund.“
Bruder Pinyon hieb mit der Faust auf die Tischplatte und sagte: „Heiße Kiste!“
„Er will sagen, daß du an Aphasie denkst. Was die liebe alte Dame eigentlich entwickelt hat, das ist eine Art von Wortzwang. Es scheint so, als ob sie in letzter Zeit nicht mehr dazu fähig ist, auf ein paar von ihren alten, obszönen Textzeilen zu verzichten, wenn sie gerade auftritt.“
„Titten und Ärsche“, sagte Bruder Arlow, „auf die kann sie nicht verzichten.“
„Eigentlich ist sie dafür viel zu vornehm. Baby Dynamite wird nie etwas Obszöneres als ‚Möpse’ und ‚Muschi’ sagen, aber das genügt, um uns Schwierigkeiten zu machen.“
„Als sie das erste Mal ein paar Möpse eingeflochten hat, haben drei Dekane den Klingelbeutel fallen lassen“, sagte Bruder Arlow.
„Heiße Kiste!“ sagte Bruder Pinyon und zeigte auf Jolson.
„Wenn du ein paar ländliche Hymnen singen könntest, Tunky Nesper, die vielleicht ein bißchen umgewandelt wurden, um zu dem speziellen Evangelium des Häuptlings zu passen“, sagte der Bruder Whilom mit der fliehenden Stirn, „dann könnten wir Baby Dynamites Auftritt auf ein oder zwei Nummern runterdrehen. Das würde ihre zahlreichen Fans immer noch zufriedenstellen und die Gefahr vermindern, daß sie Ärgernis erregt. Wie du vielleicht weißt, findet im Stadtzentrum Nr. 1 gerade eine hitzige Diskussion darüber statt, ob das Fach Sexualkunde in den Schulen von Menschen oder von Robotern unterrichtet werden sollte. Wir wollen niemandem auf die Füße treten.“
Jolson zupfte an seiner Mütze herum, und sie wurde steif und gab ein flatterndes Geräusch von sich. Er setzte sie wieder auf und sagte: „Manchmal, wenn ein Kalb einen steilen Hügel hinunterläuft, bricht es sich ein Bein, aber manchmal kommt es auch direkt auf einer viel fetteren Wiese heraus.“
„Heiße Kiste!“
„Bruder Pinyon möchte wissen, ob das heißen soll, daß du es tun willst.“
„Klar heißt es das.“ Jolson schloß eines seiner strahlend blauen Augen, und seine linke Gesichtshälfte wurde von sanften Falten überzogen. „Ich meine, das muß es wohl gewesen sein, was der Herr wollte, als er mich in eure Richtung wies.“
„Wer ist dein Agent?“ fragte Bruder Arlow.
„Hab’ mich immer selbst gemanagt, wenn’s ging.“
„Dann machen wir sofort einen Vertrag mit dir“, sagte der kleine, zappelige Autor. „Hier ist der normierte Evangelisationsbekehrungsvertrag.“ Erzog ein Dokument aus Fastpergament aus einem Schlitz in seiner Robe. „Du bekommst fünfzig Dollar pro Abend, und wenn die Kollekte an einem Abend in der Woche fünftausend Dollar hoch sein sollte, bekommst du sechs Prozent der Nettoeinnahmen des Häuptlings. Denke daran: netto, nicht brutto. Wir erhalten eine Erstoption und die Hälfte aller Nebenrechte für alle Songs, mit denen du in den Tohuwabohus auftrittst. Außerdem verpflichtest du dich, dich während der nächsten sechs Monate sowie dreißig Tage lang, nachdem du den Dienst des Häuptlings quittiert haben solltest, nicht zu einer konkurrierenden Religion oder einem Kult bekehren zu lassen.“ Er knisterte mit dem Kontrakt. „Unterschreibe, Blödmann.“
Jolson kratzte sich im Nacken. „Der Herr hat nichts davon gesagt, daß es auch Papierkram geben würde.“
„Huhup! Huhup! Huhup!“
„Er ist wach“, bemerkte Bruder Whilom.
„Huhup! Huhup! Huhup!“ Ein großer muskulöser Mann von etwa dreißig Jahren kam in die Laube gesprungen. Er hatte seinen Federumhang abgeworfen und trug nur einen goldenen Lendenschurz, ein Halsband aus vergoldeten Hühnerknochen und einen Kopfschmuck aus scharlachroten und
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