Das Chamäleon-Korps
größer werdende Familie hat. Der Durchschnitt in unserer Gemeinde liegt bei 4,5 Kindern, und obwohl Holly und ich im Augenblick nur 2,6 Kinder haben, sind die Fixkosten immer noch mörderisch. Kannst du dir vorstellen, was es heißt, eine Frau und 2,6 Kinder ernähren zu müssen?“
„Ich verstehe mehr etwas davon, welche Wege über den nächsten Berg führen.“
Mutter Blaudrossel machte eine Schnute mit seinen rotgefärbten Lippen. „Weiß nicht, wie man aus solch einer Information Geld machen könnte. Holly und ich haben schon immer junge Leute gemocht, obwohl wir schon weit über dreißig sind. Hier bei Mutter Blaudrossel können sich viele von diesen desillusionierten Kindern treffen und über ihre Probleme und über die bitteren Enttäuschungen, die unsere Erwachsenenwelt ihnen bereitet hat, reden. Holly und ich sind stolz darauf, daß wir hier nicht irgendein gewöhnliches Jugendbistro haben. Klar, wir bieten Alkoholika, Drogen, Elektroschocks, Gehirnwellentherapie und auch ein bißchen Folter für die Sado-Masochisten an, aber wir bieten auch eine heimelige Atmosphäre. Wir sind der einzige illegale Schuppen in der Zone, wo man zum Schlafengehen auch Kakao und Grahamkekse bekommt.“
Jolson zwirbelte seine Mütze vom Kopf und ließ sie auf die Chintztischdecke fallen. „Da Sie so heimelig sind und sich um das Wohl Ihrer Gäste sorgen, können Sie mir vielleicht dabei behilflich sein, eine alte Familienfreundin zu suchen.“
Mutter Blaudrossel nickte zu Leftover herüber. „Dieser Typ ist doch wohl kein Gummischuh, Lefty?“
„Ein was?“
„Ein Bulle, ein Plattfuß, ein Grüner?“
„Ich versteh’ die Sprache der jungen Leute überhaupt nicht mehr“, sagte Leftover.
„Hat er mit dem Gesetz zu tun?“
„Er ist ein Folksänger. Du kannst ihm vertrauen.“
Mutter Blaudrossel glättete seine weiße Spitzenschürze. „Auch wenn du über den Berg bist, Lefty, ist dein Beobachtungsvermögen doch immer noch ganz in Ordnung. Okay, Tunky, wen suchst du?“
„Marina Bronzini.“
„Die habe ich seit einer Woche nicht mehr gesehen“, sagte Mutter Blaudrossel. „Ist natürlich möglich, daß sie am Montag oder am Mittwoch dagewesen ist. An diesen Abenden bleibe ich bei den Kindern, und Holly verkleidet sich als Mutter Blaudrossel und schmeißt hier den Laden.“
„Du bist tot“, sagte ein bleicher junger Mann, der von hinten herbeigelaufen war und Mutter Blaudrossel von hinten gepackt hatte. „In zehn Sekunden bist du tot.“ Er suchte in den Taschen seines Segeltuchanzugs und zog schließlich einen Würgestrick hervor. Der Strick war mit einem Taschenmesser und Teilen einer Mundharmonika verschlungen. „Warte einen Augenblick, bis ich das Ding hier frei bekommen habe.“
Jolson stand vorsichtig auf.
Der bleiche junge Mann ließ Mutter Blaudrossel los und konzentrierte sich auf seinen Würgestrick. An seinem Ende klebten ein Sojakaugummi und ein paar Flecken aus synthetischem Heroin. „Verdammt, jedesmal das gleiche!“
Mutter Blaudrossel rückte sich den Schal zurecht und blickte auf seine juwelenbesetzte Uhr. „Du bist zu langsam, Skinny.“
„Ich kann doch schließlich nichts dafür, wenn sich der ganze Mist dauernd mit meinem Würgestrick verheddert, oder? Komm, komm, jetzt hack nicht auf mir herum!“
Jolson fragte: „Ihr beide versteht euch gut?“
Mutter Blaudrossel sagte: „Ja, das ist Skinny Shaner, jr. Das ist Tunky, Skinny …“
„Nesper, Tunky Nesper.“ Jolson setzte sich wieder auf seinen mit Kissen überhäuften Stuhl.
„Skinny ist der stellvertretende Vorsitzende der Mamitöten-Bewegung“, erklärte Leftover.
„Omatöten“, berichtigte ihn der bleiche Junge. Er wedelte
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