Das Chaos-Casino
musterte die Bar, sein neues Zuhause.
Zur Bar gehörte ein kleiner Eßtrakt, nur ein Dutzend Tische, die dafür aber weit auseinander standen, weshalb Harry vermutete, daß es sich hier eher um einen Treffpunkt als um eine Einnahmequelle handelte. Von den Tischen waren im Augenblick nur wenige besetzt, und ihrer Kleidung und ihrem Gehabe zufolge handelte es sich bei den Gästen wohl eher um Einheimische als um Touristen.
Eine Gruppe zog seine besondere Aufmerksamkeit auf sich. Der einzige Mann am Tisch hatte das breitschultrige, schweinsnackige Aussehen eines Astroballspielers, und er lauschte gerade angespannt einer Frau, die alt genug war, um seine Mutter - wenn nicht gar seine Großmutter - zu sein. Der eigentliche Blickfang jedoch war das dritte Mitglied der Partie: Neben der alten saß eine große, hagere Negerin, deren strenge, kantige Züge nicht die Tatsache verbergen konnte, daß das Gespräch der anderen beiden sie langweilte oder nicht interessierte.
Als spürte sie seinen Blick, sah sie zu Harry hinüber, und ihre Blicke trafen sich. In stummem Prost hob er das Bier und zeigte bei einem freundlichen Lächeln die Zähne. Doch anstatt zu reagieren, stellte sie die Augen auf unscharf, sah mit ausdrucksloser Miene durch ihn hindurch, als sei er überhaupt nicht existent. Ein beinahe körperliches Frösteln überzog Harry wie ein Gletscherwind, und er wandte sich wieder der Theke zu, wo der Barmann gerade sein frisches Bier abstellte. »Sag mal, Willie«, sagte er. »Was gibt es denn über die Gruppe da hinten an der Wand gegenüber zu sagen? Sehen aus wie Stammgäste.«
»Ich weiß nicht, von wem du sprichst«, erwiderte der Barkeeper, ohne hinzusehen.
»Von dem Monster und den beiden Frauen«, erläuterte Harry, »die dort hinten sitzen, direkt am ...«
Er wollte gerade auf sie zeigen, da ließ William seine Hand vorschnellen und packte sein Handgelenk.
»Ich habe gesagt >Ich kann niemanden sehen«, betonte sein neuer Freund und starrte Harry dabei in die Augen. »Und wenn du hier arbeiten solltest, kannst du es auch nicht. Und ganz bestimmt wirst du nicht auf sie zeigen. Hast du kapiert, was ich sagen will?«
»Begriffen.« Harry nickte bedächtig. »Die sind heute abend nicht hier. Sind es nie gewesen, werden es nie sein. Egal, ob man nur plaudert oder unter Eid steht.«
»Gut«, antwortete William und gab sein Handgelenk frei. »Dachte ich mir doch, daß du das verstehen wirst. Tut mir leid, daß ich dich so angepackt habe, aber du hättest dir beinahe echt großen Ärger eingehandelt, bevor ich dich richtig einweisen konnte.«
Harry hob sein Bier und stemmte die Ellenbogen auf die Theke.
»Kein Problem«, sagte er locker. »Weiß es zu schätzen, daß du mir ein bißchen den Rücken deckst. Aber da wir gerade bei Einweisungen sind, ganz unter uns: Mein Blick ist sehr viel selektiver, wenn ich genau weiß, was ich da gerade nicht sehe.«
William trat ein paar Schritte beiseite; dann lehnte er sich lässig auf die Theke.
»Na ja«, sagte er im Gefängnisstil, also ohne Harry dabei direkt anzublicken, »was du da gerade nicht siehst, ist der Große Zampano der Station.«
Der verkleidete Legionär runzelte leicht die Stirn.
»Komisch. Habe immer gedacht, daß solche Burschen eher im Hintergrund bleiben, aber ich könnte schwören, daß ich den schon mal irgendwo gesehen habe. War der irgendwie in den Medien oder so?«
Der Barkeeper schnaubte. »Wenn du Astroball-Fan bist, hast du ihn ganz bestimmt schon mal gesehen. Erinnerst du dich noch an Ward Stilman?«
»Und ob!« bestätigte Harry und warf noch einen verstohlenen Blick auf die Gruppe, wobei er sich allerdings diesmal des Spiegels hinter der Theke bediente. »Das ist er also, wie? Verdammt ! Hab’ es immer genossen, ihm zuzusehen, wie er die Leute zu Klump gehauen hat, bis sie ihn aus der Profiliga geschmissen haben.«
»Das ist er«, bestätigte William. »Aber den habe ich nicht gemeint. Die alte Dame ist hier auf Loreley der richtige Macher und Durchschüttler Stilman ist nur ihr Chefmuskel.«
Harry ließ den Blick zu der älteren Frau hinüberflackern, die er bisher ignoriert hatte.
»Die? Die soll hier oben der >Zampano< sein?«
»Es nicht glauben heißt sterben«, meinte der Barkeeper mit angespanntem Lächeln. »Vielleicht hast du mal gehört, daß hier jemand namens Max den Laden schmeißt. Na ja, das ist die Abkürzung für »Maxine<, und das ist sie. Ihr gehört jedes Casino auf dieser Station, und sie ist wirklich gut,
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