Das Comeback
stehen und zu rauchen. So viele Cops, die hier arbeiteten, waren nikotinsüchtig, daß oft eine Menschentraube den Haupteingang belagert und ein permanenter blauer Rauchschleier über den Türen gehangen hatte. Der Chief war der Ansicht, daß dies keinen guten Eindruck machte, und hatte die Vorschrift erlassen, daß man zum Rauchen nicht nur das Gebäude, sondern sogar das Grundstück verlassen mußte. Jetzt sah der Bürgersteig vor dem Polizeipräsidium aus, als würde hier eine Demonstration stattfinden. Cops, einige sogar in Uniform, gingen vor dem Gebäude auf und ab. Das einzige, was fehlte, waren Protestplakate. Gerüchten nach hatte der Chief beim städtischen Justitiar angefragt, ob man auch das Rauchen auf dem Bürgersteig verbieten könnte, hatte aber gesagt bekommen, daß dies außerhalb seines Befugnisbereichs läge.
Als Bosch seine zweite Zigarette an der ersten ansteckte, sah er FBI-Agent Roy Lindell, der gemächlich durch die Glastüren des Ausgangs kam. Er wandte sich nach rechts und ging in Richtung des Bundesgerichts. Er kam direkt auf Bosch zu. Lindell bemerkte ihn erst, als er ein paar Meter von ihm entfernt stand. Er war überrascht.
»Was ist los? Wartest du auf mich?«
»Nein, ich rauche nur eine Zigarette, Lindell. Was machst du?«
»Geht dich nichts an.«
Er wollte vorbeigehen, aber Bosch stoppte ihn mit seinem nächsten Satz.
»Hattest du ein nettes Gespräch mit Chastain?«
»Hör zu, Bosch. Man hat mich gebeten, herzukommen und auszusagen, und ich bin dem nachgekommen. Ich hab die Wahrheit gesagt. Man kann die Sache nicht unter den Teppich kehren.«
»Das Problem ist nur, daß du die Wahrheit nicht kennst.«
»Ich weiß, daß du die Waffe gefunden hast und ich sie nicht dort versteckt habe. Das ist die Wahrheit.«
»Zumindest teilweise.«
»Nun, das ist der Teil, den ich kenne und den ich erzählt habe. Also schönen Tag noch.«
Er ging an Bosch vorbei, der sich umdrehte, um ihm nachzusehen. Wieder hielt er ihn an.
»Ihr seid vielleicht mit einem Teil der Wahrheit zufrieden, ich nicht.«
Lindell drehte sich um und kam zu Bosch zurück.
»Was soll das heißen?«
»Vielleicht kommst du drauf.«
»Nein, du wirst es mir sagen.«
»Wir wurden alle benutzt, Lindell. Und ich werde herausfinden, von wem. Wenn ich es weiß, werde ich es dir bestimmt sagen.«
»Bosch, du hast den Fall nicht mehr. Wir bearbeiten ihn jetzt, und du läßt besser deine dreckigen Finger davon.«
»Ja, ihr bearbeitet diesen Fall – daß ich nicht lache«, sagte Bosch. »Ich kann mir richtig vorstellen, wie du dir dabei die Sohlen ablatscht. Sag mir Bescheid, wenn du den Fall gelöst hast.«
»Du irrst dich, Bosch. Der Fall ist uns wichtig.«
»Beantworte mir eine Frage, Lindell.«
»Was?«
»In der Zeit, als du dort verdeckt ermittelt hast, hat Tony Aliso jemals seine Frau mitgebracht, wenn er Geld abholte?«
Lindell schwieg einen Moment, während er überlegte, ob er antworten sollte. Schließlich schüttelte er den Kopf.
»Nicht ein einziges Mal«, sagte er. »Tony sagte immer, sie hasse die Stadt. Wahrscheinlich zu viele schlechte Erinnerungen.«
»Erinnerungen an Vegas?«
Lindell lächelte.
»Für jemanden, der angeblich alle Antworten hat, weißt du nicht viel, Bosch. Tony hat sie vor zwanzig Jahren in einem Club getroffen. Lange vor meiner Zeit. Sie war eine Tänzerin, und Tony wollte aus ihr einen Filmstar machen. Die gleiche Story, die er bis zum Ende benutzt hat – mit dem Unterschied, daß er nach ihr schlau wurde und begriff, daß man sie nicht alle heiraten muß.«
»Kannte sie Joey Marks?«
»Aus der einen Frage sind jetzt drei geworden, Bosch.«
»Kannte sie ihn?«
»Ich weiß nicht.«
»Wie hieß sie früher?«
»Das weiß ich auch nicht. Bis zum nächsten Mal, Bosch.«
Er drehte sich um und ging. Bosch warf seine Zigarette auf die Straße und ging zurück zum Glashaus. Ein paar Minuten später, nachdem er ordnungsgemäß geklingelt hatte, fand er Donovan an seinem Schreibtisch. Der Techniker hob einen dünnen Aktendeckel auf und gab ihn Bosch.
»Das sind Kopien«, sagte er. »Die gleichen, die ich ans FBI geschickt habe. Ich hab eine Kopie von dem Negativ gemacht und dann das Negativ fotografiert und Schwarzweißkopien für Vergleichszwecke gemacht. Ich habe sie auch auf reale Größe vergrößert.«
Bosch verstand nicht, was Donovan sagte, bis auf den letzten Teil. Er öffnete den Aktendeckel und fand zwei Seiten Kopierpapier mit den Schuhabdrücken in Schwarz. Es
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