Das Comeback
Mordsvieh über die Leber gelaufen sein«, sagte Rider.
»Er ist nur wütend, weil ich seinem Lieutenant von dem Fingerabdruck erzählt habe, den er im Auto zurückgelassen hat«, sagte Billets. »Er hat ihm wahrscheinlich den Arsch aufgerissen. Egal … zurück zum Thema. Was glaubst du, Harry? Meinst du, wir haben genug, um Veronica in die Mangel zu nehmen?«
»Ich glaube, wir sind fast so weit. Ich werde morgen mit den anderen rauffahren und mir das Wachbuch ansehen. Vielleicht statten wir ihr einen Besuch ab. Ich wünschte nur, wir hätten etwas Konkretes, worüber wir mit ihr sprechen könnten.«
Billets nickte.
»Ich möchte morgen auf dem laufenden gehalten werden. Ruf mich mittags an.«
»Wird gemacht.«
»Je mehr Zeit vergeht, desto schwerer wird es sein, die Ermittlungen geheim zu halten. Ich denke, Montag müssen wir Inventur machen und entscheiden, ob wir unsere Ergebnisse ans FBI geben.«
»Der Ansicht bin ich nicht«, sagte Bosch. »Was immer wir ihnen geben werden, sie werden nichts damit anfangen. Wenn du den Fall lösen willst, mußt du uns das FBI vom Leibe halten.«
»Ich werde es versuchen, Harry, aber von einem bestimmten Punkt an wird es unmöglich sein. Wir führen Ermittlungen mit voller Besatzung durch, ohne es im Einsatzplan zu vermerken. Das kann man nicht geheim halten. Ich meine nur, es ist besser, wenn die Information von uns kommt und wir es kontrollieren können.«
Bosch nickte widerwillig. Er wußte, daß sie recht hatte, aber er mußte gegen ihren Vorschlag argumentieren. Der Fall gehörte ihnen. Es war sein Fall. Und alles, was in der letzten Woche passiert war, machte die Sache noch persönlicher. Er wollte den Fall nicht abgeben.
Er nahm die Kopien und steckte sie wieder in seine Aktentasche. Dann trank er sein Bier aus und fragte, wem er was schulde.
»Ich bezahl alles«, sagte Billets. »Die nächste Runde, nachdem wir den Fall gelöst haben, gibst du aus.«
»Abgemacht.«
Als Bosch nach Hause kam, fand er die Tür verschlossen vor. Der Schlüssel, den er Eleanor Wish gegeben hatte, lag unter der Fußmatte. Als erstes sah er nach, ob der Hopper-Druck noch an der Wand hing. Er hing noch da, aber sie war weg. Er schaute schnell in alle Räume, fand jedoch keinen Brief. Dann öffnete er den Wandschrank und sah, daß ihre Kleider nicht mehr da waren – und ihr Koffer.
Er saß auf dem Bett und dachte über ihr Verschwinden nach. Am Morgen hatten sie alles offen gelassen. Er war früh aufgestanden, und während sie ihm vom Bett beim Ankleiden zusah, hatte er sie gefragt, was sie tagsüber machen würde. Sie hatte gesagt, daß sie es nicht wisse.
Jetzt war sie weg. Mit der Hand rieb er sich übers Gesicht. Er fühlte bereits ihren Verlust. In Gedanken ging er noch mal ihr Gespräch vom vorigen Abend durch. Er kam zu dem Urteil, daß er sich falsch verhalten hatte. Es war ihr schwer gefallen, von ihrer Komplizenschaft zu erzählen, und er hatte das Ganze nur von seinem persönlichen und beruflichen Standpunkt aus gesehen. Nicht von ihrem. Und nicht von ihrem gemeinsamen Standpunkt.
Bosch ließ sich aufs Bett zurückfallen. Er breitete seine Arme aus und starrte an die Decke. Das Bier begann zu wirken und machte ihn müde.
»Okay«, sagte er laut.
Er fragte sich, ob sie anrufen würde oder ob wieder fünf Jahre vergehen würden, bis er sie zufällig traf. Er dachte darüber nach, wieviel in den letzten fünf Jahren passiert war und wie lange er auf sie gewartet hatte. Sein Körper sehnte sich nach ihr. Er schloß die Augen.
»Okay.«
Er schlief ein und träumte, er wäre allein in der Wüste. Keine Straßen, nur meilenweit Einöde in alle Himmelsrichtungen.
6.
Samstag morgen kaufte sich Bosch zwei Kaffee und zwei Doughnuts mit Zuckerguß bei Bob’s auf dem Farmers Market. Danach fuhr er zur Lichtung, wo Alisos Leiche im Kofferraum seines Wagens gefunden worden war. Während er aß und trank, betrachtete er den blauen Schleier, der die stille Stadt unten verhüllte. In der aufgehenden Sonne ragten die Hochhäuser von Downtown wie dunkle Felstürme auf. Es war ein erhabener Anblick, aber Bosch fühlte sich, als wäre er der einzige in der Welt, der es sah.
Als er sein Frühstück beendet hatte, wischte er sich mit einer Serviette, die er am Marktbrunnen angefeuchtet hatte, den klebrigen Zuckerguß von den Fingern. Dann stopfte er das ganze Papier und den leeren Kaffeebecher in die Doughnut-Tüte und ließ den Motor an.
Nachdem Bosch Freitag abend früh
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