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Das Comeback

Das Comeback

Titel: Das Comeback Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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war staubig, und die meisten Abdrücke waren nicht mehr erkennbar. Er fand Abdrücke von zwei verschiedenen Paar Schuhen. Ein altes Paar mit abgetretenen Hacken und ein neueres Paar mit Absätzen, die ausgeprägte Muster in der Erde zurückgelassen hatten. Doch die Arbeitsschuhe mit dem Einschnitt, den Donovan auf dem Abdruck entdeckt hatte, waren nicht dabei.
    Bosch richtete sich vom Boden auf und folgte dem Pfad ins Unterholz des Wäldchens. Er beschloß noch etwas weiter zu gehen, hob einen Akazienast hoch und ging darunter hindurch. Als sich seine Augen an die Dunkelheit unter dem Laubdach der Bäume gewöhnt hatten, wurde sein Blick von einem blauen Gegenstand angezogen. Er befand sich im Dickicht und abseits des Pfades, aber er entschloß sich, ihn näher anzusehen.
    Nachdem er sich langsam drei Meter durch das Strauchwerk vorgearbeitet hatte, sah er, daß es sich um eine blaue Plastikplane handelte. Von der Art, wie sie nach dem Erdbeben überall Dächer abdeckten, die durch heruntergefallene Kamine oder andere Schäden undicht waren. Bosch trat näher heran und sah, daß die Plane mit zwei Ecken an Baumstämmen befestigt war und über dem Ast eines dritten Baums hing, wodurch ein Zeltdach über einem Stück ebener Erde entstand. Er wartete einen Moment, sah sich aber nichts bewegen.
    Es war unmöglich, sich dem Unterschlupf leise zu nähern. Der Boden war mit vertrockneten und welken Blättern dicht bedeckt, und Zweige knackten unter seinen Füßen. Als er drei Meter von der Plane entfernt war, stoppte ihn eine heisere Männerstimme.
    »Ich habe eine Knarre, ihr Schweinehunde!«
    Bosch blieb regungslos stehen und starrte die Plane an. Da sie über den langen Ast einer Akazie hing, konnte er den Mann nicht sehen, der gerufen hatte. Und der Mann konnte ihn wahrscheinlich ebenfalls nicht sehen. Bosch entschied sich, etwas zu riskieren.
    »Ich habe auch eine«, rief er zurück. »Und eine Polizeimarke.«
    »Polizei? Ich hab die Polizei nicht angerufen!«
    Die Stimme des Mannes klang jetzt fast hysterisch, und Bosch nahm an, daß er es mit einem der obdachlosen Geistesgestörten zu tun hatte, die man nach den massiven Etatkürzungen Ende der achtziger Jahre aus den psychiatrischen Anstalten entlassen hatte. Die Stadt war voll von ihnen. Sie standen fast an jeder Kreuzung und schüttelten ihre Becher mit Kleingeld. Sie schliefen unter Brücken oder gruben sich wie Termiten in die Hügel ein – in Camps, die sich nur ein paar Meter von Villen befanden, die mehrere Millionen kosteten.
    »Ich bin nur vorbeigekommen«, schrie Bosch. »Leg deine Waffe hin, und ich leg meine weg.«
    Bosch schätzte, daß der Mann mit der verängstigten Stimme überhaupt keine Waffe hatte.
    »Okay, abgemacht.«
    Bosch öffnete das Halfter unterm Arm, ließ aber seinen Revolver stecken. Er ging die letzten Meter und kam langsam um den Stamm der Akazie herum. Ein Mann mit langem grauem Haar und Bart, der über ein Hawaiihemd aus blauer Seide hing, saß mit gekreuzten Beinen auf einer Decke unter der Plane. Etwas Wildes leuchtete in seinen Augen auf. Mit einem schnellen Blick überflog Bosch die Hände des Mannes sowie die unmittelbare Umgebung und sah keinerlei Waffen. Er entspannte sich ein bißchen und nickte dem Mann zu.
    »Hallo«, sagte er.
    »Ich hab nix getan.«
    »Okay.«
    Bosch schaute sich um. Unter dem Dach der Plane lagen gefaltete Kleider und Handtücher. Außerdem gab es einen kleinen Klapptisch, auf dem sich eine Pfanne, ein paar Kerzen, Camping-Gasbehälter, zwei Gabeln und ein Löffel befanden – aber kein Messer. Bosch schätzte, daß der Mann das Messer unterm Hemd oder unter der Decke versteckt hatte. Auf dem Tisch stand auch ein Fläschchen Cologne und Bosch merkte, daß der Mann es großzügig in seinem Unterschlupf versprengt hatte. In einer Ecke stand ein altes Teerfaß, das mit zerdrückten Aluminiumdosen gefüllt war, daneben lag ein Stapel alter Zeitungen und eine zerlesene Taschenbuchausgabe von Fremder in einem fremden Land.
    Bosch trat auf die Lichtung und hockte sich wie ein Baseball Catcher hin, um mit dem Mann auf Augenhöhe zu sein. Sein Blick ging über den Rand der Lichtung und er sah, daß hier all das lag, was der Mann nicht mehr brauchte. Abfalltüten und Kleiderreste. Am Stamm einer anderen Akazie lag ein braun-grüner Kleidersack. Der Reißverschluß war aufgezogen, und der Sack sah aus wie ein ausgenommener Fisch. Bosch schaute wieder zu dem Mann. Er konnte erkennen, daß der Mann unter seinem

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