Das Comeback
ausströmende Wasser zur Tür.
»Stell das Wasser ab«, schrie er, als er die Tür erreichte.
Bosch rannte den Korridor entlang und sprang über den Eingangsschalter. Das Fahndungsbüro war leer, und er sah durchs Glas, daß niemand im Büro des Lieutenants war. Dann hörte er lautes Klopfen und gedämpftes Schreien von Rider und Billets. Er rannte über den Flur zu den Verhörzellen und fand alle Türen bis auf eine geöffnet. Powers hatte anscheinend nachgesehen, ob Veronica Aliso nicht doch da war, nachdem er Billets und Rider in Raum Drei eingeschlossen hatte. Er öffnete die Tür zu Drei und rannte dann schnell durch das Fahndungsbüro zum hinteren Korridor des Gebäudes. Er stieß die schwere Metalltür auf und stand auf dem Parkplatz hinter dem Revier. Instinktiv griff er nach seinem leeren Schulterhalfter, überflog mit seinen Augen den Parkplatz und die offenen Abstellplätze der Autowerkstatt. Von Powers keine Spur, nur zwei Streifenpolizisten standen neben einer Tanksäule. Bosch schaute sie an.
»Habt ihr Powers gesehen?«
»Ja«, sagte der ältere. »Er ist gerade weg. Mit unserem Wagen. Kannst du mir den Scheiß erklären?«
Bosch antwortete nicht. Er schloß die Augen, senkte seinen Kopf und verfluchte sich innerlich.
Sechs Stunden später saßen Bosch, Edgar und Rider am Mord-Tisch und warteten schweigend auf das Ende der Konferenz im Büro des Lieutenants. Zusammengezwängt in dem kleinen Büro wie Sardinen waren Billets, Captain Le-Valley, Deputy Chief Irving, drei Detectives von IE, einschließlich Chastain, sowie der Police Chief und sein Adjutant. Der stellvertretende Bezirksstaatsanwalt Roger Goff nahm über die telefonische Sprechanlage teil. Bosch hatte seine Stimme durch die geöffnete Tür gehört. Aber dann war sie geschlossen worden, und Bosch war sicher, daß sie sich über das Schicksal der drei draußen sitzenden Detectives berieten.
Der Police Chief stand mit gekreuzten Armen und gesenktem Kopf mitten in dem engen Raum. Er war als letzter erschienen, und es hatte den Anschein, als würde er von den anderen über die Situation informiert werden. Ab und zu nickte er, aber es sah nicht aus, als würde er viel sagen. Bosch wußte, daß das Hauptproblem war, was sie mit Powers unternehmen sollten. Ein Killer-Cop, der frei herumlief. Sich damit an die Medien zu wenden, war eine Form von Selbstgeißelung. Aber Bosch sah keinen Ausweg. Sie hatten an allen wahrscheinlichen Orten nach ihm gesucht und ihn nicht gefunden. Der Streifenwagen, den er gestohlen hatte, war verlassen oben in den Hügeln auf dem Fareholm Drive gefunden worden. Wohin er dann gegangen war, wußte niemand. Überwachungsteams waren außerhalb seines Bungalows, der Aliso-Villa sowie vor dem Haus und dem Büro von Rechtsanwalt Neil Denton postiert. Sie mußten sich jetzt an die Medien wenden, damit Powers’ Foto in den Sechs-Uhr-Nachrichten gesendet werden konnte. Bosch schätzte, daß der Police Chief erschienen war, weil er eine Pressekonferenz halten würde. Andernfalls hätte er die ganze Angelegenheit Irving überlassen.
Bosch merkte, daß Rider etwas gesagt hatte.
»Entschuldigung?«
»Ich hab gefragt, was du mit der freien Zeit machen wirst?«
»Ich weiß nicht. Hängt von der Länge ab. Wenn es nur eine SP ist, werde ich alle Arbeiten in meinem Haus machen. Wenn es mehr als zwei sind, werde ich mich nach einer Verdienstmöglichkeit umsehen müssen.«
Eine SP oder Schichtperiode dauerte fünfzehn Tage. Suspendierungen wurden meistens in solchen Einheiten verhängt, wenn das Vergehen schwer war. Bosch war sich ziemlich sicher, daß der Police Chief sie nicht mit einer geringeren Strafe davonkommen ließe.
»Sie werden uns doch nicht feuern, Harry?« fragte Edgar.
»Das bezweifle ich. Aber es kommt drauf an, wie sie es ihm gegenüber darstellen.«
Bosch schaute wieder zum Fenster des Büros, als der Police Chief gerade zu ihm hinaussah. Der Chief sah weg. Kein gutes Zeichen. Bosch war ihm nie begegnet und hatte nicht erwartet, ihn jemals kennenzulernen. Er war ein Außenseiter, den man eingestellt hatte, um sich bei der Bevölkerung anzubiedern. Nicht weil er besonderes Talent für Polizeiverwaltung hatte, sondern weil sie einen Außenseiter brauchten. Er war ein stämmiger, schwarzer Mann, der das meiste Gewicht in der Hüftgegend hatte. Cops, die ihn nicht mochten – und es gab viele – nannten ihn Häuptling Schlammlawine. Bosch wußte nicht, wie er von den Polizisten genannt wurde, die ihn
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