Das Cottage im Wald
unentwegt über Sean nach. Dass ihm seine Arbeit offensichtlich wichtiger war als seine Frau, nahm sie ihm übel. Er hätte wenigstens das Wochenende mit mir verbringen können, dachte sie ärgerlich. Sie hatte Verständnis dafür, dass er in seiner Firma nach dem Rechten sehen wollte, nachdem er so lange nicht dort gewesen war. Aber musste das denn gleich am ersten Tag nach ihrer Hochzeit sein?
Carin hatte keine Ahnung, wann Sean nach Hause kommen würde. Je länger sie über ihre Lage nachdachte, desto wütender wurde sie. Wie konnte er nur so mit ihr umspringen? Hatte ihm die Liebesnacht mit ihr denn nicht gefallen?
Würde es in Zukunft auch so sein, nämlich dass jeder seiner eigenen Wege ging? Sean bot ihr, wie versprochen, ein Dach über dem Kopf, sonst jedoch nichts. Keine Liebe, keine Zuneigung. “Richte das Haus neu ein, wenn du Langeweile hast”, hatte er gesagt. Was wäre das für eine Verschwendung. Die Wohnung war doch schon perfekt eingerichtet. Eine Umgestaltung würde ein Vermögen kosten, und Carin hatte gelernt, vernünftig und sparsam mit Geld umzugehen.
Mrs. Blake verabschiedete sich nach dem Lunch. Vorher hatte sie das Abendessen vorbereitet, sodass Carin es später nur noch in den Ofen zu schieben brauchte. “Wir sehen uns erst am Montag wieder, meine Liebe, denn morgen verbringe ich den ganzen Tag mit meiner Tochter”, hatte sie noch gesagt. “Wenn es irgendetwas gibt, das Sie besonders gern essen, so lassen Sie es mich ruhig wissen. Sean ist ja pflegeleicht in der Beziehung. Er isst alles, was ich ihm vor die Nase stelle. Aber wenn Sie etwas absolut nicht mögen, sagen Sie es ruhig, ich richte mich dann danach.”
Einerseits war Carin erleichtert, wieder allein zu sein, andererseits aber war es nun beklemmend still im Haus. Sie schlenderte in den Garten, setzte sich auf eine Bank und sah gedankenverloren auf den kleinen Teich. Dicke Goldfische schwammen behäbig zwischen den grünen tellergroßen Seerosenblättern umher. Ihr habt es gut, dachte Carin betrübt. Ihr kennt keine Sorgen und Probleme.
Carin hatte das Essen für sechs Uhr vorbereitet und bereits den Tisch gedeckt. Um sieben war Sean immer noch nicht da. Wenn sie seine Telefonnummer gehabt hätte, hätte sie ihn im Geschäft anrufen können. Doch er hatte den Namen seiner Firma nie erwähnt, und so hatte Carin keine Möglichkeit, die Nummer herauszufinden. Ihr war lediglich bekannt, dass das Unternehmen sich irgendwo mitten in der Stadt befand. Einmal mehr wurde ihr klar, wie wenig sie von Sean wusste.
Es war bereits halb neun, als Sean endlich erschien. Kein Wort der Entschuldigung kam über seine Lippen. Stattdessen holte er ein Glas aus dem Schrank, schenkte sich Whiskey ein und setzte sich in einen Sessel. Carin lagen schon bittere Vorwürfe auf der Zunge, da das Abendessen nun nicht mehr genießbar war. Als sie jedoch sah, wie müde und abgespannt Sean wirkte, hielt sie sich zurück.
“Du hattest einen schweren Tag, nicht wahr?”, fragte sie sanft. “Ist es nicht so gut gelaufen im Geschäft, während du fort warst? Vielleicht könnte ich dir im Büro ein bisschen helfen? Ich bin eine erfahrene Sekretärin, und es gibt bestimmt genug zu tun.”
“Nicht nötig, alles ist in bester Ordnung”, wehrte Sean ab. “Ich brauche keine Hilfe. Aber natürlich wird es eine Weile dauern, bis ich mit der Arbeit wieder auf dem Laufenden bin.”
“Konntest du denn nicht wenigstens bis Montag warten?”, begehrte Carin auf. Die Kälte in Seans Stimme tat ihr weh. “War es denn wirklich nötig, schon heute damit anzufangen?”
“Ja.”
“Du hättest mich wenigstens wecken und mir sagen können, wo du hingehst. Bis Mrs. Blake kam, hatte ich keine Ahnung, wo du stecktest.”
“Und dann hast du dir Sorgen gemacht, wie?”
Carin ärgerte sich über seinen unverhohlenen Spott. Was um Himmels willen hatte sie getan, dass er so gemein zu ihr war? “Natürlich nicht, warum hätte ich das tun sollen?”, gab sie bissig zurück.
Sean kniff die Augen zusammen. “Du klingst aber nicht gerade wie eine frischgebackene Ehefrau.”
“Eine frischgebackene Ehefrau? Dass ich nicht lache!” Carin funkelte Sean zornig an. “Dass wir keine gewöhnliche Ehe führen, hast du mir ja deutlich zu verstehen gegeben. Du gehst deinen Weg, und ich meinen. So ist es doch, oder nicht? Wir sehen uns nur im Bett. Anfangs dachte ich, du wolltest, dass ich mich um das Haus kümmere. Ich glaubte, du wünschtest dir eine Partnerin. Aber jetzt muss
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