Das Dalai-Lama-Prinzip fuer Kollegen
ist aber nur die eine Seite der Medaille. Zur Aufzucht des Rindes, das zu einem Spottpreis in Ihrer Pfanne landet, wird Futtergetreide benötigt, das ein Vielfaches jener Bodenfläche verbraucht, die bei einer vergleichbaren pflanzlichen Ernährung nötig wäre. Aus den Rindermägen entweichen jährlich Millionen Tonnen Methangas, die zum Treibhauseffekt und damit zur globalen Erwärmung beitragen. Durch die Nachfrage nach Rindfleisch werden die Bauern weltweit veranlasst, ihre Produktion auf die Rinderhaltung umzustellen. Die benötigten Flächen werden entweder durch das Abholzen von Regenwald gewonnen; dann tragen sie zur weiteren Verschlechterung des Weltklimas bei, und die so gewonnenen Böden sind nach wenigen Jahren ohnehin Brachland. Oder es werden andere Nutzflächen verwendet, also global dem alternativen Anbau pflanzlicher Produkte entzogen. Dadurch steigen weltweit relativ die Preise für Getreide und andere pflanzliche Nahrungsmittel und vermehren so den globalen Hunger. So hat unser kleiner Wochenendeinkauf globale Konsequenzen, die wir als fremde, ferne Ereignisse, nicht aber als unmittelbare Folgen unseres eigenen Handelns in den Nachrichten zur Kenntnis nehmen.
Die gleiche Argumentation gilt auch in anderen Bereichen: Beim Kauf von Billigtextilien aus Produktionsländern der Dritten Welt vollzieht sich eine ähnliche Mechanik. Die geringen Preise für Hose, Rock und T-Shirt kommen nur deshalb zustande, weil sie in Indien, Bangladesch oder Peru zu Niedriglöhnen gefertigt werden. Wie niedrig diese Löhne sind, lässt sich daran ermessen, dass nur circa fünf Prozent des Verkaufspreises in den Produktionsstandorten verbleiben, den Rest verdienen Groß-, Zwischen- und Einzelhandel, deren Macht dazu führen kann, dass ganze Produktionsstandorte von einem Land in ein nächstes transferiert werden, weil die Produkte in Vietnam vielleicht noch günstiger hergestellt werden können als in Indien. Dasselbe gilt für Spielzeug, Elektronik und andere Produkte. Über die Produktionsbedingungen in vielen dieser Länder wissen wir als Konsumenten nur wenig. Hinter der hochglänzenden Ware verbergen sich 16-Stunden-Arbeitstage in Fabriken, die bei uns, was Sicherheit, Hygiene und Rechte der Arbeitnehmer betrifft, undenkbar wären. Und auch heute noch kommt es zu gravierenden Verstößen gegen die Menschenrechte, ist Kinderarbeit oder Quasi-Sklavenhaltung an der Tagesordnung. Sie sehen: Jede Kaufentscheidung, die wir treffen, hat eine Vielzahl von Konsequenzen, die wir nicht einschätzen können.
Egoismus– im Großen wie im Kleinen
Ein weiteres Beispiel soll verdeutlichen, dass jeder von uns Mitverantwortung dafür trägt, was » da draußen« geschieht: Die Bankenkrise von 2008 und die darauf folgende weltweite Wirtschaftskrise wurden in den Augen vieler Menschen durch das selbstsüchtige und unangemessene Verhalten von Investmentbankern und Börsenspielern verursacht. Ganz korrekt ist diese Sicht nicht, da im Grunde genommen wir alle an diesen Prozessen mitwirken: der Hausbauer, der versucht, mit wenig Eigenkapital und niedrigen Kreditzinsen seinen Traum von der eigenen Immobilie wahrzumachen; der Kleinanleger, der sich an der Börse jedes Jahr eine zweistellige Rendite erwartet; der Konsument, der (siehe oben) alle Güter zu niedrigsten Preisen erwerben will; der Politiker, der mithilfe von Steuererleichterungen seine Wiederwahl sichert– sie alle tragen genauso wie die oft gescholtenen Topmanager der Banken und Versicherungen zu negativen Entwicklungen wie einer Weltwirtschaftskrise bei.
Wir müssen uns eingestehen: Die kurzsichtige Verfolgung egoistischer Ziele zeichnet jeden von uns aus. Und solange jeder seine Ziele erreichen kann, die materielle Versorgung gesichert ist, die Börsenkurse nach oben gehen und die Kredite abgezahlt werden können, ist für die meisten von uns die Welt in Ordnung. Sobald jedoch große Vermögenswerte vernichtet werden, Jobs verloren gehen und Häuser zwangsversteigert werden, wird der Ruf nach mehr Ethik in der Wirtschaft laut und deutlich vernehmbar. Plötzlich werden die vormals gefeierten Manager zu Sündenböcken, die die alleinige Schuld an der Misere tragen sollen. Wir werfen ihnen ihre Gier als Motiv für ihre verheerenden Fehlentscheidungen vor, vergessen darüber aber, dass auch wir selbst gierig bei der Jagd nach unseren Zielen sind.
Buddha, was tun? – Eine buddhistische Wirtschaftsethik nicht nur für Manager
Die Erkenntnis von der gegenseitigen
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