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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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zum Menschen verwandelt hatte, auch selbst, in dieser Hinsicht ganz nach seinem Gefallen zu leben. Kimon, der im Andenken, daß Iphigenie ihn so genannt, diesen Namen behalten und nicht mehr Galesus genannt sein wollte, hielt indessen, um seine Wünsche geziemend erfüllt zu sehen, bei Iphigeniens Vater Cypseus wiederholt um die Hand des Mädchens an. Cypseus aber erwiderte, daß er sie bereits dem Pasimundas, einem jungen Edelmann von Rhodos, zugesagt habe und sein Wort nicht brechen wolle. Als nun die Zeit herangekommen war, da Iphigenie infolge dieses Versprechens vermählt werden sollte, und der Bräutigam auch schon nach ihr gesandt hatte, sagte Kimon bei sich selbst: Nun, o Iphigenie, ist es an der Zeit, zu beweisen, wie sehr ich dich liebe. Schon bin ich durch dich zum Menschen geworden. Gelingt es mir, dich zu besitzen, so werde ich dadurch ohne Zweifel glorreicher werden als einer unter den Göttern, und gewiß, besitzen werde ich dich oder sterben.
    Nachdem er so zu sich selbst gesprochen, bat er in der Stille einige junge Edelleute, mit denen er befreundet war, um ihren Beistand, rüstete heimlich ein Schiff mit allem aus, was zu einem Seegefecht notwendig ist, und ging dann mit seinen Gefährten in See, um das Fahrzeug zu erwarten, auf dem Iphigenie zu ihrem Bräutigam nach Rhodos gebracht werden sollte. Der Vater des Mädchens hatte inzwischen den Freunden des Bräutigams viel Ehre angetan, und nun steuerten diese mit ausgespannten Segeln auf Rhodos zu. Kimon aber schlief nicht, sondern erreichte sie anderntags und rief ihnen von der Spitze seines Schiffes mit lauter Stimme zu: »Haltet an, streicht die Segel oder macht euch darauf gefaßt, besiegt und in den Grund gebohrt zu werden.«
    Kimons Gegner hatten indes schon ihre Waffen aufs Verdeck gebracht und rüsteten sich zur Verteidigung. Kimon aber ergriff nach jenen Worten sogleich einen großen eisernen Enterhaken, zog damit das Schiff der Rhodier, die aus allen Kräften weitersegelten, gewaltsam an das seine heran und sprang mit dem Mute eines Löwen, ohne daß ein anderer ihm gefolgt wäre, hinüber, als ob er die Rhodier alle für nichts achtete. Die Liebe lieh ihm Kräfte, und so stürzte er mitten unter die Feinde, ein Messer in der Hand, und schlachtete gar viele, bald hierhin, bald dorthin stoßend, gleich Schafen ab, so daß die Rhodier endlich voller Schrecken die Waffen wegwarfen und sich einstimmig als Gefangene ergaben. Kimon dagegen sagte zu ihnen: »Junge Männer, weder aus Verlangen nach Beute noch aus Haß, den ich gegen euch hegte, bin ich von Zypern gesegelt, um euch hier, mitten im Meere, mit bewaffneter Hand zu überfallen. Was mich so zu tun bewogen, dessen Eroberung ist für mich das Höchste, ihr aber könnt es mir gar leicht auch friedlich überlassen. Es ist nämlich Iphigenie, die ich über alles liebe und die mit der Waffe zu erobern Amor mich zwingt, da ihr Vater sie mir nicht als Freund im Guten überlassen wollte. So will ich ihr denn sein, was euer Pasimundas ihr werden sollte. Gebt sie mir, und dann zieht in Gottes Namen.«
    Die Jünglinge überließen, mehr von der Not als vom guten Willen bewogen, dem Kimon die weinende Dame. Er aber sagte, als er sie weinen sah, zu Iphigenie: »Betrübe dich nicht, holde Dame, ich bin dein Kimon und habe dich durch meine lange Liebe mehr verdient als Pasimundas durch die Verlobung.« Ohne von dem Gut der Rhodier das mindeste anzurühren, ließ er Iphigenie in sein Schiff hinübersteigen, kehrte selbst zu seinen Gefährten zurück und hieß jene weiterziehen. Hocherfreut über den Erwerb einer so teuren Beute, verwendete Kimon die erste Zeit darauf, die Weinende, soviel er konnte, zu trösten, und überlegte dann mit seinen Gefährten, ob es nicht allzu gefährlich sein möchte, für jetzt nach Zypern zurückzukehren. Wirklich beschlossen sie gemeinschaftlich, den Lauf ihres Schiffes lieber nach Kreta zu lenken, wo sie sich insgesamt, besonders aber Kimon, wegen alter und neuer Verbindungen und vieler Freundschaften mit Iphigenien sicher glaubten.
    Das Glück aber, das dem Kimon die Eroberung der Dame freundlich gewährt hatte, verwandelte jetzt in seiner Unbeständigkeit die überschwengliche Freude des liebenden Jünglings plötzlich in bittere, schmerzliche Tränen. Noch waren keine vier Stunden vergangen, seit Kimon die Rhodier verlassen hatte, als mit derselben Nacht, von der er sich die höchste, nie empfundene Seligkeit versprochen hatte, ein stürmisches Wetter heraufzog, das

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