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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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sei. Da der gute Mann das Mädchen nicht mehr sah, antwortete er: »Niemand als wir selber. Jenes Pferd aber, das Gott weiß wem entlaufen sein mag, hat sich gestern abend hier eingefunden, und da haben wir es ins Haus geführt, damit es die Wölfe nicht fressen sollten.« »Wenn es denn keinen Herrn hat«, sagte der Älteste jenes Gesindels, »so wird es gut für uns sein.« Nach diesen Worten verteilten sie sich, um das ganze kleine Haus zu durchsuchen. Andere besichtigten den Hof und legten der größeren Bequemlichkeit wegen Spieße und Schilde ab. Dabei geschah es aber, daß einer, ohne zu wissen, was er tat, seine Lanze in jenen Heuhaufen warf und dadurch um ein Haar den Tod des verborgenen Mädchens oder doch wenigstens seine Entdeckung herbeigeführt hätte; denn die Lanze drang noch mit solcher Kraft bis in die Gegend ihrer linken Brust, daß die eiserne Spitze die Kleidungsstücke durchschnitt und das arme Mägdlein aus Furcht, verwundet zu werden, schon im Begriff war, einen lauten Schrei zu tun, als es noch rechtzeitig bedachte, wo es sei, und sich hinlänglich zusammennahm, um stillzuschweigen.
    Als nun das Gesindel, der eine hier, der andere da, die Zicklein und allerlei anderes Fleisch gebraten, gegessen und dazu getrunken hatte, ging es seinen ferneren Unternehmungen nach und führte das Roß des Mädchens mit sich hinweg. Erst nachdem sie schon eine gute Strecke weit entfernt waren, fragte der gute Mann seine Frau: »Was ist denn aber nur aus dem Mädchen geworden, das gestern abend bei uns einkehrte? Ich habe es doch heute morgen, seit wir aufgestanden sind, nicht mehr gesehen.« Die Frau erwiderte, sie wisse es nicht, und ging, um sich nach ihr umzutun. Das Mädchen aber hatte sich inzwischen überzeugt, daß jene abgezogen waren, und schlüpfte wieder aus dem Heu hervor. Der gute Mann freute sich sehr, daß sie dem Gesindel nicht in die Hände gefallen war, und sagte, da es schon zu dämmern begann: »Nun, da der Tag anbricht, wollen wir dich, wenn es dir recht ist, zu einer Burg geleiten, die nicht weiter als fünf Meilen von hier gelegen ist und dir völlige Sicherheit bieten wird. Du wirst den Weg aber schon zu Fuß machen müssen, da das böse Volk, das eben hier war, dein Pferd mitgenommen hat.« Das Mädchen beruhigte sich leicht über diesen Verlust und bat die guten Leute, sie um Gottes willen zu jener Burg zu führen. Sofort machten sie sich auf den Weg und kamen noch vor der zweiten Tagesstunde dort an. Die Burg gehörte aber einem Anverwandten der Orsini namens Liello von Campo di Fiore, und es traf sich, daß seine Frau, eine vortreffliche und fromme Dame, eben um jene Zeit dort war. Als diese das Mädchen erblickte, erkannte sie es sogleich, empfing es auf das freundlichste und verlangte den ganzen Zusammenhang der Ereignisse, die es dorthin geführt hatten, zu hören. Das Mädchen erzählte ihr alles, und die Dame, der auch Pietro als ein Freund ihres Mannes bekannt war, betrübte sich über diesen Unfall, da sie aus der Beschreibung des Ortes, wo er gefangen worden war, mit Gewißheit glaubte schließen zu müssen, daß man ihn umgebracht habe. Deshalb sagte sie zu dem Mädchen: »Da du nun doch nicht weißt, was aus Pietro geworden ist, so bleibe hier bei mir, bis ich Gelegenheit finde, dich auf sichere Weise nach Rom zu schicken.«
    Während indes Pietro, grenzenlos betrübt, noch auf seiner Eiche saß, sah er um die Zeit, wo andere Leute kaum eingeschlafen zu sein pflegen, wohl zwanzig Wölfe durch den Wald herantraben, welche sich sämtlich an sein Pferd machten, sobald sie dessen ansichtig geworden waren. Als das Pferd sie witterte, zerriß es gewaltsam die Zügel, mit denen es angebunden war, und suchte zu entfliehen. Da die Wölfe es aber von allen Seiten umringten und die Flucht ihm verwehrten, verteidigte es sich eine lange Weile mit Hufen und Zähnen, bis es am Ende dennoch von ihnen zu Boden geworfen, erwürgt und sogleich in Stücke zerrissen ward. Die Wölfe verschlangen das Fleisch, ohne etwas anderes als Knochen zurückzulassen, und liefen dann wieder weiter. Pietro, der das Pferd als seinen Leidensgefährten betrachtet hatte, der seine Mühsal erleichtern half, entsetzte sich nicht wenig über diesen Anblick und gab nachgerade alle Hoffnung auf, aus diesem Walde herauszukommen.
    Wie er sich nun immer wieder forschend umsah, erblickte er, schon gegen die Morgendämmerung, in der Entfernung von etwa einer Meile ein großes Feuer. Kaum erwartete er nach dieser

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