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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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hörte, sie seien arme Leute und Maler, setzte sich bei ihm der Gedanke fest, sie könnten unmöglich so fröhlich von ihrer Armut leben. Vielmehr hielt er dafür, sie müßten, da sie, wie er gehört hatte, gar schlaue Gesellen wären, von irgendeiner den Leuten unbekannten Seite her große Einnahmen beziehen.
    Daraus nun entstand in ihm das Verlangen, wenn es sich machen ließe, mit beiden oder wenigstens mit einem von ihnen vertraut zu werden, und in der Tat gelang es ihm, mit Bruno näheren Umgang anzuknüpfen. Als Bruno wenige Male mit ihm zusammen gewesen war, erkannte er in dem Doktor einen Dummkopf, und er fing an, sich mit ihm unter stets neuen Einfällen den größten Spaß von der Welt zu machen, und der Doktor fand gleichfalls an Brunos Umgang die größte Freude.
    Nachdem er ihn mehrere Male zu sich zum Essen geladen hatte und deshalb meinte, nun ganz vertraulich mit ihm sprechen zu können, erzählte er ihm, wie sehr er sich über ihn und Buffalmacco gewundert habe, daß sie als arme Leute ein so lustiges Leben führten, und bat ihn, ihm zu sagen, wie sie das eigentlich anstellten.
    Als Bruno den Doktor hörte und diese Frage ihm wieder so eine von seinen vielen törichten und albernen zu sein schien, fing er an zu lachen und nahm sich vor, ihm so zu antworten, wie es seine Einfalt verdiente. Darum sprach er: »Meister, ich würde es nicht vielen sagen, wie wir das anfangen; doch nehme ich keinen Anstand, es Euch zu gestehen, der Ihr mein Freund seid und von dem ich weiß, daß Ihr es niemand weitersagen werdet. In der Tat ist es richtig, daß mein Kamerad und ich so fröhlich und wohlgemut leben, wie es Euch scheint, und eher noch fröhlicher. Von unserer Kunst oder von irgendeinem ändern Ertrag, den wir aus unseren Besitzungen ziehen, könnten wir allerdings nicht einmal das Wasser bezahlen, das wir verbrauchen. Doch darum müßt Ihr nicht glauben, daß wir stehlen gehen, sondern wir gehen nur kursieren, und daraus ziehen wir, ohne einem dritten zu schaden, alles und jedes, was zu unserem Vergnügen oder Bedürfnis dient. Daraus allein entspringt die heitere Lebensweise, die Ihr uns führen seht.«
    Als der Doktor dies hörte und alles glaubte, ohne zu wissen, was es bedeutete, wunderte er sich über alle Maßen. Zugleich aber überkam ihn auch das heftigste Verlangen zu erfahren, was dies Kursierengehen bedeute, und er bat daher den Bruno auf das inständigste, es ihm zu sagen, wobei er beteuerte, daß er es gewiß und wahrhaftig niemals jemandem wiedersagen würde. »Weh mir«, erwiderte Bruno, »Meister, was verlangt Ihr von mir? Es ist ein gar zu großes Geheimnis, das Ihr von mir zu wissen begehrt, und eine Geschichte, die mich unglücklich machen und aus der Welt, ja geradezu dem Luzifer von San Gallo in den Rachen jagen kann, wenn ein dritter es wiedererführe. Aber so groß ist die Liebe, die ich zu Eurer qualitativen Pinselhaftigkeit von Legnaja hege, so groß das Vertrauen, das ich in Euch setze, daß ich Euch nichts abschlagen kann, was Ihr begehrt. Drum will ich es Euch sagen, unter der Bedingung jedoch, daß Ihr mir beim Kreuz von Mon Tesone schwört, es niemals jemandem wiederzuerzählen, wie Ihr versprochen habt.« Der Meister beteuerte, daß er es nicht tun wolle.
    »Ihr müßt also wissen«, sprach Bruno, »mein zuckersüßer Meister, wie es noch gar nicht lange her ist, seit in dieser Stadt ein großer Zauberkünstler und Meister der Schwarzen Kunst weilte, welcher Michael Scotto hieß, weil er aus Schottland war, und von vielen adeligen Männern, von denen jetzt nur noch wenige leben, große Ehre empfing. Als dieser nun von hier abreisen wollte, ließ er auf ihre Bitten hin zwei seiner einsichtigsten Schüler zurück. Diesen trug er auf, beständig zu jedem Wunsch dieser edlen Herren, welche ihn so geehrt hatten, bereit und gewärtig zu sein. Diese dienten nun den eben erwähnten Edelleuten in mehreren kleinen Liebessachen und anderen Stücken willig. Zuletzt aber, da ihnen die Stadt und die Sitten der Einwohner gefielen, entschlossen sie sich, für immer hierzubleiben, und befreundeten sich eng mit einigen Bürgern, ohne darauf zu achten, wer diese wären, ob von Adel oder nicht von Adel, ob reich oder arm, nur vorausgesetzt, daß es Leute waren, die zu ihren Sitten paßten.
    Um nun ihren so gewonnenen Freunden gefällig zu sein, stifteten sie eine Gesellschaft von etwa fünfundzwanzig Männern, welche sich wenigstens zweimal im Monat an einem von ihnen bestimmten Orte versammeln.

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