Das Dekameron
Sind sie hier beieinander, sagt ein jeder ihnen seinen Wunsch, und sie verschaffen ihm diesen sogleich für die Nacht. Mit diesen beiden stehen nun ich und Buffalmacco in besonderer und vertrauter Freundschaft, und wir wurden daher von ihnen in jene Gesellschaft aufgenommen und sind noch darin. Und ich sage Euch, sooft wir uns versammeln, ist es etwas Wunderbares, die Wandverkleidungen rings im Saal zu sehen, in dem wir speisen, und die königlich bedienten Tische, und die Menge edler und schöner Diener, sowohl Frauen als Männer, zur Freude jedes Mitgliedes dieser Gesellschaft, und die schönen Becken, die Weinkrüge und Flaschen, die Becher und das übrige Gerät von Gold und Silber, von dem wir essen und trinken; und außerdem die vielen und verschiedenen Gerichte, welche, je nachdem ein jeder sie begehrt, aufgetragen werden, jede Schüssel zu ihrer gehörigen Zeit. Aber nie könnte ich Euch beschreiben, wie mannigfach und von welcher Art die süßen Töne unzähliger Instrumente und die melodienreichen Gesänge sind, die man hier vernimmt. Ebensowenig könnte ich Euch erzählen, wie groß die Masse der Wachskerzen ist, die bei diesen Gastmahlen brennen, noch welche Menge von Konfekt hier verzehrt wird, oder wie kostbar die Weine sind, die dabei getrunken werden. Und ich möchte nicht, mein Salzkürbislein, daß Ihr etwa glaubtet, wir wären dort mit den Kleidern und in dem Gewand, das Ihr jetzt an uns sehet. Nein, keiner ist dort so schlecht gekleidet, daß er nicht einem Kaiser gliche, mit so kostbaren Stoffen und so herrlichen Sachen sind wir geschmückt. Doch über alle Freuden, die wir dort finden, geht die Lust an den schönen Frauen, welche augenblicklich, sowie es nur einer wünscht, uns aus der ganzen Welt herbeigeschafft werden. Dort könnt Ihr die Beherrscherin der Bartnicker, die Königin der Basken, die Gemahlin des Großsultans, die Kaiserin von Usbecchien, Frau Schwatzin aus dem Mondenlande, die Großmogulin von Plapperheim und Frau Trulle von Nasenheim sehen. Doch was zähle ich Euch diese einzeln auf? Dort könnt Ihr alle Königinnen der Welt finden, bis zur Chinchimurra des Priesterkönigs Johannes, welche die Hörner mitten auf dem Hintern trägt.
Nun seht Ihr wohl! Haben wir getrunken, uns mit Backwerk gestärkt und ein oder zwei Tänzchen gemacht, so begibt sich jede von diesen mit dem, auf dessen Wunsch sie erschienen ist, in eine besondere Kammer. Und wissen müßt Ihr, daß diese Kammern wie ein wahres Paradies anzusehen sind, so schön sind sie, und nicht weniger duftend als die Arzneibüchsen in Eurem Apothekerladen, wenn Ihr gerade Kümmel stoßen laßt; und Betten gibt es da, die Euch schöner dünken würden als das des Dogen von Venedig, und in diese legt sich jedes Paar zum Schlafen nieder. Und wie dann jene Weberinnen die Tritte rühren und den Einschlag an sich ziehen, um das Tuch recht dicht zu weben, das könnt Ihr Euch selbst ausmalen. Doch zu denen, die am besten dran sind, gehören meiner Meinung nach Buffalmacco und ich; denn Buffalmacco läßt sich meist die Königin von Frankreich kommen, während ich die von England vorziehe, welche beiden wohl die schönsten Frauen auf Erden sind, und wir haben uns so bei ihnen einzuschmeicheln gewußt, daß sie für niemand anders mehr ein Auge im Kopf haben als eben für uns. Deshalb könnt Ihr denn wohl ermessen, ob wir nicht mehr als die ändern Menschen lustig und guter Dinge leben und sein können und müssen, wenn Ihr bedenkt, daß wir die Liebe zweier solcher Königinnen besitzen, abgesehen davon, daß wir, wenn wir ein- oder zweitausend Goldstücke von ihnen begehren, sie nicht bekommen. Dies eben nennen wir kursieren gehen; denn wie die Korsaren die Besitztümer eines jeden sich aneignen, so machen auch wir es, mit dem Unterschied jedoch, daß jene sie niemals, wir sie aber zurückgeben, sobald wir sie gebraucht haben. Und so habt Ihr, mein allervortrefflichster Meister, nun gehört, was wir kursieren gehen nennen. Allein, wie sehr dies alles geheim bleiben muß, das seht Ihr wohl selbst ein, und darum sage ich nichts mehr darüber und bitte Euch nicht erst weiter darum.«
Der Doktor, dessen Wissenschaft sich wahrscheinlich nicht weiter erstreckte, als kleinen Kindern den Grind zu kurieren, schenkte Brunos Worten soviel Glauben, als es nur bei irgendeiner ausgemachten Wahrheit angemessen gewesen wäre, und er ward von solchem Verlangen, in diese Gesellschaft aufgenommen zu werden, entflammt, wie er sich von keinem ändern
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