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Das Deutsche als Männersprache

Das Deutsche als Männersprache

Titel: Das Deutsche als Männersprache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise F. Pusch
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schreibt uns dagegen eher das Gegenteil vor — sie war es auch, an der Sibylle sich unkritisch orientiert hatte, und eben das wurde mit Spott quittiert.
    Manche erinnert sich vielleicht noch an die Kongruenzregeln, die wir im Lateinunterricht lernten: »Das Attribut kongruiert mit seinem Bezugswort in Kasus, Numerus und Genus .« Beispiel: puellarum urbanarum >der geistreichen Mädchen<. Puellarum ist Genitiv, Plural, Femininum und urbanarum ebenfalls Genitiv, Plural, Femininum.
    In den romanischen Sprachen spielen die Kongruenzregeln noch heute eine wichtige Rolle. Wo im Deutschen beide Geschlechter über sich aussagen können »Ich bin glücklich«, gilt im Französischen die Vorschrift, daß das Adjektiv im Genus mit dem Geschlecht der Sprechenden kongruieren muß. Die Französin sagt also: »Je suis heureuse«, der Franzose »Je suis heureux«. Vergleichbares haben wir im Deutschen nur bei den Adjektiven in attributiver Stellung (eine glückliche Frau, ein glücklicher Mann) . In prädikativer Stellung gibt es Kongruenzzwang nur bei einer kleinen Gruppe der Personenbezeichnungen — bei denjenigen, die aus Adjektiven und Partizipien abgeleitet sind (Typ die/der Kranke, die/der Angestellte). Die Deutsche sagt: »Ich bin Angestellte .« Der Deutsche sagt: »Ich bin Angestellter .« Wenn eine Deutsche sagt: »Ich bin Angestellter«, so ist das grammatisch falsch. Nicht falsch soll es dagegen sein, wenn sie sagt: »Ich bin Tierarzt .« (Ich erinnere an die Dadewgrammatik: »Grete B., Rechtsanwalt. Auch schon: Rechtsanwältin.«)
    Feministinnen aber sind da, wie Sibylle Helferich schmerzlich erfahren mußte, ganz anderer Ansicht. Und sie gehen noch weiter. Immer zahlreicher werden die Beispiele, in denen Frauen, wenn sie über sich selbst und andere Frauen sprechen, die Radikalversion der feministischen Kongruenzregel anwenden. Sie lautet:

    Verwandle alle maskulinen Personenbezeichnungen in feminine, sofern sie sich in irgendeiner Form auf Frauen beziehen.

    Dies gilt auch dann, wenn die maskuline Personenbezeichnung nur Tei l eines Wortes ist.

    Nach dieser Regel wird z.B .freundlich zu freundinlich, Freundschaft zu Freundinnenschaft und sich anfreunden zu sich anfreundinnen. — Einige Belege:

    Auf Eurer Überweisung darf die Kundinnennummer nicht fehlen. ( Courage 81.7.2)

    Frauen, die sich auf diese Arbeitsverträge einlassen, haben grob umrissen folgendes Arbeitnehmerinnenschicksal. ( Courage 81.10.12)

    Die Männer am Institut fordern von uns den Nachweis, wo ihre Theorien zu kurz greifen (...). Wir lehnen diese ergänzende Helferinnenrolle ab (...). ( Courage 81.10.44)

    Ich habe eine einjährige Sekretärinnenausbildung gemacht. ( Courage 81.11.23)

    Danach ging die Rednerin in Siegerinnenpose zu ihrem Platz zurück. ( Courage 81.12.16)

    Ich wollte freier sein, habe mich wieder junggesellinnenhaft benommen. ( Courage Sonderheft Sexualität 1981, S. 60)

    Was (...) soll denn nur so heldinnenhaft an der Prostitution sein? ( Courage 81.4.59)

    Ich fange im Herbst mit einer Heilpraktikerin-Ausbildung in München an. (Courage 79.7.59)

    Was ist aus Eurem in früheren Heften formulierten Anspruch geworden, möglichst wenig Spezialistinnentum (...) und möglichst wenigTrennung von Hand- und Kopfarbeit bei Euren Mitarbeiterinnen zu erreichen? ( Courage 80.8.59)

    Die Stellung der Frau, insbesondere in Ostanatolien, ist ebenfalls in der Türkei ein Sklavinnendasein. ( Emma 77.10.63)

    sehr bald wird der literaturmarkt (...) vom schreibfluß einer einzigen frau, dieser George Sand, überschwemmt (...). der vielleicht erste fall Von imperialismus einer autorinnenpersön-lichkeit in der branche zeichnet sich ab. ( Courage 80.8.22)

    die Genossin aus dem KSV, der Schrecken des ganzen Fachbereichs, in adretter Studienrätinkleidung, meiner alten Geschichtslehrerin, Fräulein Dr. F., zum Verwechseln ähnlich. ( Courage 80.9.41)

    Sie hat mich durchs Haus geführt, mich mit Besitzerinnenstolz vom Gymnastikraum durch das Schwimmbad in den Bastelraum gelotst (...). ( Emma 80.12.37)

    hier werden in oberlehrerinnenhafter Weise Punkte verteilt. ( Emma 80.12.63)

    Die Radikalversion der feministischen Kongruenzregel revolutioniert spielend das gesamte ehrwürdige System der deutschen Wortbildung. Auf der Ebene der Sprachpolitik leistet sie ähnliches wie spektakuläre feministische Aktionen: Sie sichert uns einen hohen Aufmerksamkeitswert, indem sie für unüberseh- und -hörbare weibliche Präsenz sorgt.

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