Das Diamantenmädchen (German Edition)
fünfzig und sechzig Karat. Und er ist nicht einmal der größte.« Er legte ihn in den Koffer zurück und sortierte mit raschen Bewegungen grob die Diamanten nach der Größe; überschlug, wie viele es waren. Und dann drehte er sich zu dem Staatssekretär um, der, an eine der Balustraden gelehnt, lächelnd gewartet hatte.
»Herr von Schubert«, sagte Paul langsam, »Sie wissen vermutlich genau, wie viel diese Steine wert sind. Und Sie wissen wahrscheinlich genauso gut, dass dies kein Auftrag für einen einzelnen Mann ist. Diese Diamanten zu schleifen, dauert Monate, wenn nicht ein Jahr. Ich meine, hier sind Diamanten dabei, die auf dem Markt bis zu einer halben Million bringen können. Das ist eine Nummer zu groß für mich. Tut mir leid, Herr von Schubert, das … das ist mir zu groß. Einfach zu groß.«
Von Schubert war wieder näher gekommen.
»Sie sehen das ganz falsch, mein Lieber«, sagte er mit einem sehr gewinnenden Lächeln, »betrachten Sie es doch eher als Dauerauftrag. Wir wollen ja auch gar nicht alles auf einmal auf den Markt werfen. Schön so nach und nach, wie Sie fertig werden. Mein lieber van der Laan, das ist eine Sinekure für Sie. Von so einem Auftrag werden Sie länger als ein Jahr leben können. Und dann: denken Sie – nicht zuletzt ist es für Deutschland.«
Pauls Gesicht wurde starr, und er klappte den Koffer sorgfältig zu.
»Für Deutschland. Natürlich, das hatte ich vergessen. Ich glaube, Herr von Schubert, meine Pflicht für Deutschland habe ich schon getan.«
Von Schubert hatte sofort bemerkt, dass er einen Fehler gemacht hatte. Aber er war nicht umsonst Diplomat. Er konnte schnell die Strategie wechseln. Und er war ein guter Beobachter. Er langte an Paul vorbei und klappte den Koffer wieder auf. Dann nahm er den Stein heraus, den Paul vorhin betrachtet hatte.
»Na gut«, sagte er und hielt den Stein noch einmal in das diffuse, weiche Licht, das in dem Kreuzgang herrschte, »lassen wir Deutschland Deutschland sein. Aber das hier«, sagte er, »ist einer der reinsten Diamanten, die in den letzten zehn Jahren gefunden wurden. Ist es nicht so, dass Sie den modernen Brillantschliff erfunden haben? Reizt Sie so ein Stein gar nicht mehr?«
Lilli war beeindruckt, von Schubert hatte sich ausgezeichnet vorbereitet.
»Ich habe ihn nicht erfunden«, erwiderte Paul langsam, »mein Vater und ich haben ihn mit als Erste in Deutschland eingeführt.«
Er nahm den Stein aus von Schuberts Hand und hielt noch einmal die Lupe vors Auge.
»Das ist wirklich ein sehr schöner Stein«, sagte er zurückhaltend.
»Wissen Sie was?« Von Schubert gab sich sehr entgegenkommend.
»Sie suchen sich einfach mal zwanzig Steine aus, mit denen Sie beginnen«, sagte er jovial. »Völlig ohne weitere Verpflichtung. Sie schleifen die ersten zwanzig, und wenn Sie dann nicht mehr wollen, dann hören Sie auf. So einfach ist das. Ich will Sie ja zu nichts zwingen.«
Paul zögerte noch immer. Aber dann legte er den Stein in den Koffer zurück und drehte sich zu dem Staatssekretär um.
»In Ordnung«, sagte er, »zwanzig Steine.«
Von Schubert lehnte sich lächelnd an die Milchglasabtrennung des schönen Stehpults und wies auf den Koffer.
»Suchen Sie sich welche aus!« Er machte eine leichte, sehr elegante Handbewegung.
Mit derselben weltgewandten Lässigkeit ließ er Paul später eine Quittung unterschreiben, gab die zwanzig Steine in ein Lederbeutelchen, das er in einer kleinen Kassette verschloss, reichte sie Paul und klappte selber den Koffer wieder zu.
»Sagen Sie«, fragte Paul schließlich doch verwundert, »und das geschieht hier alles in der Halle? Haben Sie keine Angst?«
Von Schubert lachte sein überlegenes, leises Lachen.
»Wir sind im Herzen der Reichsbank, mein Lieber, sicherer geht es wohl kaum. Die Reichsbank wird nie überfallen, weil jeder weiß, dass es hier kein Bargeld gibt.«
»Und ich?«, bohrte Paul nach. »Mich kennen Sie doch gar nicht. Keine Sorgen um Ihre Diamanten?«
»Mein lieber van der Laan«, beugte von Schubert sich lächelnd vor, »einmal abgesehen davon, dass ein Mann, der eine so entzückende Bürgin hat wie Sie, nicht von Grund auf schlecht sein kann – ich habe selbstverständlich Erkundigungen eingezogen. Ihre Militärakte lag schon vor vier Wochen auf meinem Tisch. Die Beurteilung ist 1a. Sie sind pflichtbewusst und loyal.«
Paul lächelte ein kleines Lächeln.
»Menschen können sich ändern.«
»Und morgen kann die Welt untergehen. Ohne ein wenig Vertrauen
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