Das Disney World Komplott
erhalten, Waffen nichttödlicher Natur zu entwickeln. Allerdings betraf das jetzige, als bedeutsamer eingestufte Projekt des Brookhaven-Labors die Konstruktion einer Waffe mit dem Effekt, auch die modernsten nuklearen Systeme zu neutralisieren. Das Problem war allerdings, daß dieses Projekt – unter der administrativen Leitung Colonel Fuchs' – bisher kläglich gescheitert war. Noch komplizierter wurde die Angelegenheit dadurch, daß die quasigeheime Existenz von Gruppe Sechs in letzter Zeit Gegenstand mehrerer Enthüllungen in den Medien gewesen war. Der Präsident war wütend. Der Kongreß verlangte eine gründliche Untersuchung. In Washington waren einige der wichtigsten Förderer von Gruppe Sechs nach und nach auf Distanz gegangen; sie wollten nicht mit Projekten in Verbindung gebracht werden, die Hunderte Millionen von Dollars verschlangen, aber häufig nur die verheerendsten Ergebnisse erzielten.
Das jüngste Beispiel dieser Art war gleichzeitig das blamabelste: ein unsichtbares, nicht meßbares Gas mit der Bezeichnung GL-12, das in der Luft – oder im Trinkwasser, wenn man es in flüssigen Zustand brachte – die Wirkung hatte, jeden Betroffenen in Schlaf zu versetzen. Stellen Sie sich die Möglichkeit vor, hatte Haslanger stolz geprahlt. Denken Sie sich nur, wie leicht ein halsstarriger Gegner überwältigt werden kann, während die Verluste unserer Truppen auf Null reduziert werden. Mit Unterstützung der Armee hatte Gruppe Sechs eine Erprobung in Bosnien vorgenommen, in der moslemischen Kleinstadt Reyvastat, die unter dem rücksichtslosen Beschuß einer auf den umliegenden Hügeln eingegrabenen serbischen Panzereinheit stand.
Planmäßig hatte man über diesen Hügeln unbemerkt GL-12 abgeworfen. Dummerweise hatte Haslanger es versäumt, ein eventuelles Drehen des Windes in Betracht zu ziehen; deswegen wehte der Wind das Gas in den belagerten Ort. Als Ergebnis fielen die Bewohner in unvorhergesehenen Schlaf, aus dem aufgrund des anhaltenden Granatfeuers der Serben Hunderte nie mehr erwachten.
An Gruppe Sechs, an Erich Haslanger und an Colonel Lester Fuchs, haftete jetzt der Ruch des Massenmords. Obwohl die Umstände der Erprobung gewährleisteten, daß sie in Washingtoner Kreisen nie zum Gesprächsstoff wurde, ließ man von da an die Finger vom so verheißungsvollen GL-12. Haslanger führte den Fall GL-12 und andere Peinlichkeiten auf Colonel Fuchs' Hang zurück, eine Unmenge verschiedenster und großangelegter Projekte zu verfolgen, anstatt sich geduldig auf einige wenige ausgesuchte, aber erfolgversprechende Vorhaben zu konzentrieren. Fuchs warf seinerseits Haslanger vor, nicht die Erwartungen zu erfüllen, die Gruppe Sechs in ihn gesetzt hatte.
Trotz allem war Haslanger die beste Chance für Fuchs, irgendwann an die Generalstreifen zu gelangen, und er wußte das. Alle seine Hoffnungen stützten sich auf die durchaus nachgewiesene, und dennoch umstrittene Genialität des Alten. Ein halbes Jahrhundert lang hatte Haslanger frappierende Resultate geliefert. Doch seine Tätigkeit bei Gruppe Sechs hatte bisher nicht die eine, überzeugende Superwaffe hervorgebracht, die sich eignen könnte, die Effizienz der Organisation zu bestätigen und ihr Fortbestehen zu sichern. Der heutige Test war ein neuer Versuch in einer langen Reihe solcher Anstrengungen und die erste neue Bemühung seit dem vernichtenden Versagen in Reyvastat.
Haslanger sehnte sich zurück nach den einfacheren Zeiten kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Amerikaner ihn in ihre Dienste übernommen hatten. Früher hatte ihn nie jemand mit dummen Fragen belästigt. Man hatte ihm eine Aufgabe gestellt und sich um die Methoden, mit denen er sie löste, nicht geschert. Fehlschläge galten als unvermeidliche Etappen auf dem Weg zum letztendlichen Erfolg. Nie wurde ihm zugemutet, sich für irgend etwas rechtfertigen zu müssen.
Dafür mußte er jetzt bezahlen. Er büßte jedesmal, wenn er die Augen schloß und die Erinnerungen ihn heimsuchten, bevor es ihm gelang, den Schlaf zu verscheuchen. Gelegentlich holten vergangene Taten ihn fast ein, so wie es ihm noch vor zwei Jahren ergangen war, bis er begriffen hatte, daß Schlaf und Tod ein und dasselbe waren.
Haslanger hielt sich selbst für unschuldig an all dem, was er vor seiner Tätigkeit bei Gruppe Sechs verbrochen hatte, er kannte keine Gewissensbisse. Er war seiner Zeit voraus, sagte er sich immer wieder. In früheren Zeiten hatten Technologie und Technik schlichtweg noch nicht die
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