Das Disney World Komplott
daran erkrankt zu sein. Er würde sein Dasein im Zustand emotionaler Leere verbringen, in dem sich jede mögliche Beziehung auf die Erinnerung an Verlust und Schmerz reduzierte, statt zu einer Aussicht auf Hoffnung zu werden.
Trotzdem ging ihr der Gedanke nicht mehr aus dem Kopf, daß Joshua Wolfe jetzt ihre Hoffnung war. Aus diesem Grund wollte sie ihn genau so dringend hier haben wie Fuchs. Vielleicht lohnte es sich, das Angebot des Colonels zu überdenken. Es konnte sein, daß der Junge tatsächlich die besten Chancen hatte, wenn er …
Nein! Nein!
Um das zu bekommen, was sie wollten, würden Fuchs und Haslanger den Jungen zugrunde richten oder ihn, was noch schlimmer war, dahin bringen, sich selbst zu vernichten. Sie waren zu egozentrisch, um zu erkennen, welche emotionalen Folgen das hatte, was sie von ihm forderten: neue, zielsichere Methoden des Tötens zu entwickeln. Ihnen war nicht klar, daß er dabei die Cambridge-Katastrophe immer wieder aufs neue erleben würde. Sie würden so viel wie möglich aus ihm herausholen, bis er schließlich völlig durchdrehte.
Das durfte sie nicht zulassen. Den Jungen vor der Gruppe Sechs zu schützen, bedeutete für sie, wenigstens einen Teil ihrer selbst zu bewahren. Susan mußte ihn in Sicherheit bringen, ehe Fuchs die Klauen so tief in ihn krallte, daß er sich nie wieder davon befreien könnte.
Aber wie?
Als Haslanger in sein nur vom matten Schein der Schreibtischlampe erhelltes Büro zurückkehrte, lümmelte sich dort Krill im Sessel.
»Ich nehme an, es hat alles gut geklappt«, begrüßte der Doktor sein Geschöpf.
»Die Frau war nicht allein«, antwortete Krill und reichte Haslanger etwas.
Es dauerte einen Moment, bis Haslanger in dem trüben Licht erkannte, daß es sich um einen Schnellhefter handelte, auf dessen Vorderseite ein Schwarzweißfoto geklebt war.
»Dieser Mann war bei ihr«, erklärte Krill. »Ich habe ihn anhand der Informationen aus einer Washingtoner Datenbank identifiziert – das heißt, sogar aus mehreren Datenbänken. Sein Name ist Blaine McCracken.«
Haslanger betrachtete das körnige Foto. Dann schlug er die Akte auf. »Du hast gewußt, wo du suchen mußtest?«
»Das war nicht schwierig. Man könnte sagen, er ist ein Unikum. McCracken-Sack.«
»Was?«
»Seite drei. Blätter weiter. Er wird von einigen Leuten McCracken-Sack genannt. Interessiert es dich, warum?«
Haslanger sparte sich die Mühe, Seite drei aufzuschlagen.
»Er hat vor Jahren in London dem Denkmal Winston Churchills den Sack abgeschossen, weil die Briten ihn geärgert hatten. Ich habe den Eindruck, er läßt sich nur ungern ärgern.« Kurz schwieg Krill. »Momentan ist er bestimmt ziemlich sauer.«
»Du hast ihn am Leben gelassen?«
»Irgendwer in der Bibliothek hat ihm geholfen.«
»Ein Kumpan McCrackens?«
»Kann sein. Spielt keine Rolle.«
Haslanger seufzte. Die Akte wog schwer wie Blei in seiner Hand. »Es spielt sehr wohl eine Rolle, wenn dadurch jemand auf Gruppe Sechs aufmerksam wird. Und wenn wir dadurch mehr als nur einen einzelnen gegen uns stehen hätten.«
Haslanger hätte schwören können, daß jetzt die Andeutung eines Schmunzelns Krills fleischige Lippen umzuckte.
»Lies erst mal weiter.«
»Sie sind 'ne echte Nervensäge«, meinte Hank Belgrade, der wie üblich auf der Treppe des Lincoln-Denkmals kauerte. »In Zukunft lasse ich nur noch den Anrufbeantworter laufen.«
Ungeduldig hockte McCracken sich neben ihn auf die Stufe. »Erzählen Sie mir lieber was über Erich Haslanger, Hank.«
Belgrade zeigte die Handteller vor. »Wie Sie sehen, komme ich mit leeren Händen. Dafür gibt's einen Grund. In Haslangers Akte steht nämlich, daß er im Jahre neunzehnhundertdreiundachtzig gestorben sein soll.«
»Aber Sie und ich wissen es besser.«
»Wie Sie es hinbiegen, immerzu dermaßen voll in die Scheiße zu treten, ist mir einfach ein Rätsel, McBeknackt. Und jedes Mal wird der Haufen größer.« Er schaute Blaine verkniffen an. »Je von Gruppe Sechs gehört?«
»Das eine oder andere.«
»Strengen Sie mal 'n bißchen Ihre Phantasie an.«
»Haslanger?«
»Toller neuer Posten für den Dreckskerl. Ich habe keine Ahnung, wo Sie das alles ausgegraben haben, was Sie über ihn wissen, aber eines steht fest: mit diesen Informationen könnten Sie jede Menge Leute in Verlegenheit bringen, die es gar nicht gerne sehen, wenn sie in die Schlagzeilen kommen.«
»Wie stehen die Aussichten, daß ich mal mit ihm plaudern könnte?«
Belgrade setzte eine
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