Das Disney World Komplott
Sinclair. Das haben Sie behauptet, sobald wir wußten, wohin er geht.«
»Da ist noch etwas, Sir.«
»Raus damit.«
»Einer meiner Mitarbeiter ist von dem Jungen angegriffen worden und hat mir das Fehlen seiner Brieftasche gemeldet.«
»Angegriffen, sagen Sie?«
»Jawohl, Sir. Ich schreibe alles in meinen Bericht.«
»Auf den freue ich mich schon. Und der Inhalt der Brieftasche?«
Der Reihe nach zählte Sinclair die Gegenstände auf.
»Ist es eine Angewohnheit Ihrer Männer, ständig mit solchen Sachen durch die Gegend zu laufen?«
»Das Team wurde in größter Eile zusammengestellt. Ein paar meiner Mitarbeiter sind praktisch von der Straße weg herbeordert worden. Meines Erachtens besteht aber kein Anlaß zur Beunruhigung. Der Mann ist eine Spitzenkraft. Der Inhalt seiner Brieftasche kann niemanden auf irgendwelche Spuren bringen.«
»Sehen Sie zu, daß Sie sich den Jungen greifen, Sinclair. Finden Sie ihn, bevor er die Gelegenheit erhält, das Gegenteil zu beweisen.«
Susan Lyle saß in dem Gruppe-Sechs-Büro, das Colonel Fuchs ihr zur Verfügung gestellt hatte, und dachte über ihr weiteres Vorgehen nach. Am liebsten wäre sie augenblicklich aus dieser Einrichtung hinausmarschiert; einfach aufgestanden und durch alle Türen gegangen, die man durchqueren mußte, um diesen miesen Stall zu verlassen – sogar auf Kosten ihrer Karriere.
Joshua Wolfe jedoch machte ihr das unmöglich. Sie konnte ihn nicht einfach Fuchs und Haslanger überlassen. Ihr war völlig klar, daß Gruppe Sechs sich nicht an dieselben Regeln hielt wie normale Regierungsinstitutionen. Zur Erfüllung ihres Auftrags waren die Verantwortlichen dieser Organisation buchstäblich zu allem fähig, und dieser Umstand verhieß nichts Gutes für einen knapp Sechzehnjährigen, der zufällig etwas entdeckt hatte, das Fuchs und Haslanger dringend brauchten.
Aber das war noch nicht alles. Susan wünschte, es hätte damit nicht mehr auf sich; doch der Fall lag leider anders.
»Sie mußten selbst einmal eine schwere Tragödie durchstehen, nicht wahr?«
Genaugenommen wäre Absurdität die passendere Bezeichnung dafür gewesen. Während sie noch die High School besuchte, waren ihre Eltern binnen sechs Monaten nacheinander an Leberkrebs gestorben. Die Ärzte hatten dazu gemeint, die Wahrscheinlichkeit für ein derartiges Vorkommnis läge bei fünfzig Millionen zu eins. Als man jedoch zwei Jahre später bei Susans Bruder Leukämie diagnostizierte, bezifferte man die Wahrscheinlichkeit, daß sie in ihrem späteren Leben daran oder an einem anderen tödlichen Krebs erkranken werde, auf über fünfundsiebzig Prozent.
»Verraten Sie mir, Doktor, wie haben Sie es geschafft, sich nach einem so katastrophalen Verlust wieder aufzurappeln?«
Susan hatte Fuchs keine Antwort gegeben, und sie bezweifelte, daß ihm wirklich daran gelegen gewesen war. Der Colonel hatte ihr lediglich klarmachen wollen, daß er informiert war – daß er die Möglichkeit hatte, alles zu erfahren. Die wahre Antwort lautete, daß der Kampf sie zum Durchhalten und Weitermachen befähigt hatte, ein Ringen, das in Labors stattfand, bei dem als Waffen Mikroskope und Reagenzgläser dienten, und in dessen Verlauf sie eine innige Vertrautheit sowohl mit ansteckenden als auch mit nicht ansteckenden Krankheiten erlangt hatte.
Dank dieser Arbeit hatte sie die Stellung beim SKZ in Atlanta erhalten, wo sie das Aufgabengebiet Seuchenbekämpfung und danach die Sonderabteilung Brandwacht von Anfang an als Sprungbrett zu einer wirklich einflußreichen Position betrachtet hatte. Beispielsweise als Leiterin der Genforschungsabteilung eines großen biotechnischen Unternehmens. Irgendwo in dieser Wissenschaft verbarg sich das Heilmittel gegen Krebs, so wahrscheinlich, wie das Gespenst ihrer Erkrankung in der Zukunft auf sie lauerte, und Susan wünschte sich verzweifelt, an der Forschung mitzuwirken, die dieses Heilmittel entdeckte.
»Das läßt die Mutmaßung zu, daß auch Ihr Interesse an Joshua Wolfe nicht ganz so selbstlos ist …«
Fuchs hatte recht, und die Vorstellung, deswegen nicht besser zu sein als er, erweckte in ihr Selbstabscheu. Sie mußte beweisen, daß sie mehr als er taugte, indem sie dem Jungen half. Sie wußte, wie es war, wenn man unter dem Bann einer Besessenheit stand. Falls Joshua Wolfe das Desaster in der Citypassage von Cambridge den Rest seines Lebens bestimmen ließ, fiele er ihm irgendwann ebenso zum Opfer, wie Susan Leidtragende des Krebses war, ohne bis jetzt selbst
Weitere Kostenlose Bücher