Das Disney World Komplott
Josh sich im Gewimmel unauffällig dem Mann an, der es trug. Eine Frau begleitete den Mann, zwei Jungen und ein Mädchen folgten dichtauf. Eine fünfköpfige Familie also, das bedeutete viel Gepäck und für Josh die erwünschte Gelegenheit.
Die Familie erreichte das Verteilerband, wo ihr Gepäck zum Vorschein kommen sollte. Wie Josh gehofft hatte, setzte der Mann den Laptop-Koffer auf dem Boden ab, ließ ihn beim restlichen Handgepäck stehen. Dann stellte er sich ganz vorn am Fließband an, noch ehe sich dort etwas tat. Die beiden Jungs vertrieben sich die Zeit mit einem Gameboy, das Mädchen stand zwischen ihren Brüdern und der Mutter und hielt deren Hand. Schließlich ertönte lautes Gequietsche, das Fließband rollte an, die ersten Gepäckstücke näherten sich ihren Eigentümern. Nach der Anzahl der Leute zu urteilen, die sich um das Fließband drängten, mußte ihr Flugzeug voll ausgebucht gewesen sein. Alle versuchten sich gleichzeitig auf das Gepäck zu stürzen, ausgenommen die zwei Jungs, die sich nur für ihren Gameboy interessierten.
Josh ging direkt auf die Laptop-Tasche zu, kniete hin und täuschte vor, seinen Schnürsenkel zu binden; als er sich wieder aufrichtete, hatte er den Laptop-Koffer in der Hand und den eigenen Rucksack über der Schulter. Ohne sich umzuschauen, ging er auf einen der Ausgänge zu. Schnurstracks suchte er einen Taxistand auf und nannte dem Fahrer als Ziel Disney World. Erst als das Taxi abfuhr, blickte Josh sich zum ersten und einzigen Mal um und überzeugte sich davon, daß ihm niemand gefolgt war.
Als er eine halbe Stunde später aus dem Taxi stieg, hatte er dem Rucksack ein Sweatshirt entnommen und statt dessen das Laptop hineingezwängt. Er kaufte eine Eintrittskarte und fuhr mit der Monorail, der Einschienenbahn, zum eigentlichen Haupteingang des Disney-Parks. Die riesige Ausdehnung des Geländes erstaunte ihn und schüchterte ihn gleichzeitig ein. Allerdings beruhigte ihn die Gegenwart der zahlreichen anderen Teenager: Selbst wenn es den Machern gelang, ihm bis nach Disney World zu verfolgen, könnten sie ihn in einer solchen Menschenmenge nie finden. Er hatte die Absicht, so lang im Magic Kingdom zu bleiben, bis er die zweite CLAIR-Ampulle sicher versteckt hatte. Sie dauernd bei sich zu tragen, machte seine Lage noch komplizierter, und je weniger er mitschleppte, desto besser. Zwar wog die Ampulle nur einige Gramm, aber sie lastete immer drückender auf ihm.
Es war kaum eine Stunde vergangen, bis er das perfekte Versteck entdeckt hatte und mit dem hoteleigenen Bus ins Hyatt Grand Cypress Hotel gefahren war. Es hätte manches vereinfacht, in einem der Disney-World-Hotels zu wohnen, doch ihm war klar, daß die Macher, hatten sie seine Spur erst einmal nach Orlando verfolgt, dort mit der Suche beginnen würden.
Kaum hatte im Hyatt Grand Cypress Hotel das Zimmermädchen die Tür von außen geschlossen, warf Josh seine Sachen auf das Doppelbett und legte im Halbkreis um das Laptop den Inhalt der von dem Macher erbeuteten Brieftasche aus.
Neun verschiedene Ausweise mit sechs verschiedenen Namen. Die Aufgabe, die sich Josh vorgenommen hatte, würde langwierig und riskant sein – eine Herausforderung, wie der von ihm bevorzugte Begriff lautete, und er stand gerne vor Herausforderungen. Daß man solchen Leuten wie den Machern nicht auf die Spur kommen könne, hielt Josh für reinen Quatsch. Jeder hinterließ irgendwelche Spuren, besonders dann, wenn eine Behörde Mitarbeiter an eine andere Behörde auslieh, und Josh hegte den Verdacht, daß das gestern der Fall gewesen war.
Er stöpselte das Netzteil des Computers in eine Wandsteckdose und verband per Kabel das integrierte Modem mit der Telefonbuchse.
»Der Bengel ist in Orlando«, meldete Sinclair.
»In Orlando?« wiederholte Fuchs.
»Er ist gesehen worden, wie er in Key West zu einem Pendlerflugzeug nach Orlando schlich. Wir sind zu spät gekommen, um ihn in Orlando abzufangen, haben aber an der Gepäckausgabe mitangehört, wie ein Mann angab, ein Jugendlicher habe ihm den Computer gestohlen. Seine Beschreibung paßte haargenau auf Joshua Wolfe.«
»Einen Computer hat er geklaut?«
»Wohin er vom Flughafen aus verschwunden ist, wissen wir nicht, aber wir befragen alle Bus- und Taxifahrer, um das herauszufinden.«
»Und die Mietwagenfirmen, Sinclair.«
»Aber der Junge ist doch erst …«
»Mit einem Computer und einem Modem kann er sich jedes gewünschte Alter geben, einen Mietwagen ordern und bereitstellen
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