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Das Doppelbett

Das Doppelbett

Titel: Das Doppelbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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da.
    Mit einem schimpflichen Griff im bäuerlichen Volksstil warf sie mich über die Schulter und trug mich hinter eine Draperie, die mit kleinen, wehmütig klingenden Zinnglocken und Glasperlen vollgehängt war. Dort stand ein eigentümlich ausgehöhltes Bett, das an den ausgehöhlten Oberteil eines Brötchens erinnerte, und wir begannen liebestoll aneinander zu zerren und zu ziehen.
    Ich drückte sie unter mich. Ihre heißen Handflächen wanderten unter dem Hemd über meine Brust. Mit einer Kraftanstrengung glückte ihr es aber, mir das Hemd über den Kopf zu ziehen, selbst dachte ich nicht daran. Ich hatte es praktisch nicht bemerkt, ich war bis in meine geheimsten Eckchen von den eigenartigen Duftmischungen erfüllt, die sie jetzt aussandte.
    »Du duftest so lieblich zudringlich, Resignations Olga«, murmelte ich.
    »Das sind die Düfte des Friedens und der Resignation«, murmelte sie als Antwort an meinen Lippen.
    Und hier, zwischen den schwedischen Schenkeln, war es, wo ich den Bericht zu hören bekam, der mich am meisten von allem ergriff, der Bericht über das vorrevolutionäre Schweden, über die unterdrückte Stellung der Frau.
    Er handelte von einer älteren Schwester.
    Ihr Name war Julia.
    Rut-Julia Andersson-Karlsson-Donner, der Vater war in der Sprengstoffbranche und konnte jahrelang an anderen Plätzen sein. Die Mutter, eine kleine, unterdrückte, graue Frau, widmete sich meist ihrer Katze, ihrem Holzherd und ihrem Kaffeegrund, aus dem sie unaufhörlich Unheil für die bestehende Gesellschaft weissagte. Außerdem machte sie Teppiche mit Motiven aus dem Höchsten Gericht, aber nie weiter als bis zur Hälfte.
    Julia war ursprünglich ein frohes und munteres, schlankes und schönes, frisches und der Welt zugewandtes Mädchen, das gern mit seinen wirbelnden Beinen und seinem spöttelnden Lachen tanzen ging.
    Sie machte sich nicht besonders viel aus irgend jemandem in der Familie, am wenigsten vielleicht aus der Mutter, die mit der Katze im Arm am Herd saß und in ihrer Ohnmacht Brennholz auf mißlungene Teppiche warf, bis der Kaffeegrund an die Wände spritzte.
    Auch mit ihrer jüngeren Schwester hatte Julia in diesen Jahren keinen näheren Kontakt.
    Die Lokale, wo sie zum Tanz ging, waren, wie auch immer noch bei uns, grell kommerzielle mit einer künstlichen und hektischen Lebensfreude. Dort war das Kichern allzu grell, dort kam das grobe Lachen allzu schnell. Dort waren alle an den Händen verschwitzt, und alle hatten, hinter den Masken, voreinander Angst, auch vor dem Leben selbst.
    Dies war kein Leben für Julia. Sie merkte es so allmählich. Ihr Lachen verstummte, ihre Augen glänzten nicht länger in derselben Art, und ihre geraden, langen Beine hörten auf zu wirbeln.
    Sie fing an, zu Hause zu sitzen. Und das, was geschah, kann niemanden überraschen. Denn wenn sie hinreichend lange zu Hause saß, so mußte sie ja ihren Vater treffen, den Sprengmeister Andersson-Karlsson-Donner. Und das geschah. Eines Abends trat er in das einfache Heim und trug eine Rolle frischer Zündschnur um seinen kräftigen, bleichen Nacken.
    Nach schwedischer Sitte sagte man ein fast hörbares Hej zueinander, worauf die Mutter im Hause den Hering auftrug und den Branntwein. Julia brachte die gebratene Grütze, die es als Nachtisch geben sollte, und der Vater öffnete selbst die Flasche mit dem dünnen Bier.
    »Willst du noch weg?« fragte die Mutter, als der Vater hinausgehen wollte.
    »Ja«, sagte er auf seine zurückhaltende, ausdrucksvolle Art und spielte mit einem Zündhütchen.
    »Ich komme mit«, sagte Julia resolut.
    »Zum Teufel auch«, sagte ihr Vater.
    »Julia hat sowieso keine Zukunft«, sagte die Mutter. »Das habe ich gestern abend im Kaffeesatz gesehen.«
    Die Katze kratzte im Teppichhaufen, im Herd flackerte es. Das Holz sank langsam in sich zusammen. Der Schnaps war ausgetrunken und die Bierflasche leer. Das Heim atmete ein nachdenkliches Warten aus.
    Julia und ihr Vater begaben sich hinaus in das zunehmende, murmelnde, flüsternde, zischende, haarige Dunkel. Sie gingen schweigend. Jetzt war es Julia, die die Zündschnur trug. Sie gingen mehrere Kilometer. Auf sich schlängelnden Wegen näherten sie sich einem großen, stillen Haus im allerhygienischsten Funktionärsstil.
    Es war das Staatsinstitut für Volksgesundheit (jetzt Volksinstitut für Staatsgesundheit).
    Mit Hilfe der Gummituchmethode drückten sie im untersten Geschoß eine Scheibe ein. Julias Vater wußte genau, wie sie zu gehen hatten. Julia

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