Das Doppelgrab in der Provence
kleinen Ringkampf Ihre schöne Hose nicht geschont habe.«
Maspoli rieb sich das rechte Knie; an dieser Stelle war die enge Hose, die ihn bedingt auszeichnete, zerrissen.
Matzbach wandte sich an Ducros. »Komische Gegend«, sagte er. »Die Skipper können nicht feilschen, die Mörder sind nicht imstande, zwei harmlose Passanten in den Ruinen zu killen, die Polizisten rauchen amerikanische Zigaretten, und die Nachwuchsreporter benehmen sich wie Pu der Bär. Und was soll das?«
Er setzte sich und zwinkerte Ariane zu, die ihn mit offenkundigem Mißfallen ansah.
Ducros knurrte wie ein Terrier, sagte aber nichts. Maspoli spielte mit einem Stoffstückchen an seinem Knie und starrte auf den Boden. Nach und nach zündeten sich alle Beteiligten trotz der Warnungen der jeweiligen Regierung neue Rauchopferstäbchen an: Ariane ein deutsches, Ducros ein amerikanisches, Maspoli ein besonders französisches und Matzbach ein brasilianisches. Schließlich ergriff Ducros ein Steinchen, schleuderte es mit Wucht ins Gebüsch, rief dazu mit Vehemenz »
Merde alors!
« und wandte sich an Maspoli.
»Also, Maspoli, ich schätze. Sie haben so gut wie alles gehört. Nichts von alledem, weder unsere Spekulationen über karthagische Episteln noch die Auslassungen des Arztes, noch meine Reden über Evaristo und Grimaud sind zur Veröffentlichung gedacht. Was haben Sie dazu zu sagen?«
Maspoli kniff die Augen zusammen und blickte von Ducros zu Matzbach, zu Ariane und wieder zu Ducros. »Natürlich habe ich alles gehört«, sagte er. »Ich bin Ihnen gefolgt, Monsieur le Commissaire. Seit Sie hier mit dem Reden angefangen haben, habe ich da im Busch gehockt. Übrigens brauchen Sie sich nicht einzubilden, der Sonderstab in Sachen Grimaud wäre geheim. Wir wissen, daß die Polizei an ihm interessiert ist, und er weiß es auch. Wir wissen aber auch alle, daß Sie nichts gegen ihn haben, was man wirklich verwerten könnte, sonst wäre längst was passiert, eh? Außerdem ist natürlich die Identität der einzelnen Mitglieder des Sonderstabs unbekannt. Was, denken Sie, würde passieren, wenn ich Ihren Namen erwähnte?«
»Was wollen Sie? Handeln?«
»Vermutlich würde man Sie aus dem Stab herausnehmen; gleichzeitig würde Grimaud einen Killer auf Sie ansetzen. Wenn Sie nicht lieb zu mir sind, steht Ihr Name in einer der nächsten Ausgaben.«
Matzbach stand auf; er bat Ariane, seine Zigarre einen Moment lang zu halten. Dann trat er zu Maspoli, der skeptisch zu ihm emporblickte. Baltasar nickte Ducros zu, der sofort begriff und ebenfalls aufstand. Sie packten Maspoli an den Armen und stellten ihn auf die Beine. »He, was soll das?« Er strampelte, konnte sich aber nicht befreien. Gemeinsam schleiften sie ihn zum obersten Felsenrand der Calanque. Tief unter ihnen schaukelte das Boot; der Schiffer war nicht zu sehen.
»So«, sagte Baltasar, »können wir die Sache auch regeln. Wir bedauern, unseren Lesern mitteilen zu müssen, daß unser Mitarbeiter Césaire Maspoli – blöder Name übrigens – im Verlauf naturkundlicher Recherchen ums Leben gekommen ist. Sein durch mehreres Aufprallen auf Felsen entstellter Körper wurde von einem Fischer in der dritten Calanque nahe Cassis gefunden. – Was halten Sie davon?«
Maspoli hielt still und blickte abwechselnd Ducros' regloses Gesicht und Matzbachs feiste Mondlandschaft an. Plötzlich grinste er.
»Okay. Sie haben gewonnen. Ich glaube zwar nicht, daß Sie das tun würden, aber ich spiele mit. Was wollen Sie haben?«
6. Kapitel
Nach einer ausgiebigen Siesta begab Matzbach sich in einen kleineren Raum des Hotels, wo er Kaffee bestellte und auf das Eintreffen seiner Mitarbeiter wartete. Ariane zog es vor, sich mit einem Buch in die nächste Bar mit Hafenblick zu setzen: Sie habe die Nase noch voll vom gestrigen Getriebe.
Kurz nach 16 Uhr trafen Ducros und Maspoli ein. Als Zeichen seiner Kooperationsbereitschaft teilte Matzbach ihnen mit, er habe sich für den folgenden Tag bei Dr. Edmund Demlixh angesagt, telefonisch.
»Er klang sehr matt« sagte er. »Und er war nicht besonders begeistert über meinen Anruf.«
Maspoli schob einen Stapel Fotokopien über den Tisch. »Da, unser Dossier Demlixh. Sie werden eine Meldung vom vergangenen Samstag finden, die Ihnen die Mattigkeit erklärt.«
Der Journalist hatte die vergangenen vierundzwanzig Stunden genutzt, eine weniger anfällige Hose aufzutreiben.
Baltasar und Ducros blätterten durch die Auszüge und Kopien. Sie reichten zehn Jahre zurück.
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