Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Doppelgrab in der Provence

Das Doppelgrab in der Provence

Titel: Das Doppelgrab in der Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
Vorwürfen, Beleidigungen und Scherzen das begonnene Teilspiel beendet hatten, erkundigte er sich nach dem Haus von Demlixh. Nachdem er genaue Auskünfte erhalten hatte, bedankte er sich und kam zu Ariane zurück.
    »Vielleicht«, sagte er halblaut, »kann uns einer von denen irgendwann demnächst mal abends in der Kneipe« – er deutete auf ein weißgekalktes Gebäude gegenüber der
Mairie
, vor dem trotz der späten Jahreszeit und des nicht angenehmen Wetters einige Tische und Stühle standen, zur Zeit allerdings leer – »geheimnisvolle Dinge über Demlixh und seine Druiden erzählen. Da ist es dann besser, wenn man bei der lokalen Aristokratie« – er wies auf die Boulespieler – »beziehungsweise dem hiesigen Senat nicht von vornherein als fremder Barbar gilt, der ehrbare alte Männer einfach beim Spielen unterbricht.«
    Ariane nickte wortlos. »Und nun?« sagte sie nach einer kurzen Pause.
    Matzbach beendete seine Umschau, riß die Augen von der Auslage eines Kramladens los und ging zur Fahrertür. »Nun fahren wir zu Demlixh.«
    Sie ließen den Platz hinter sich, durchfuhren den Engpaß zwischen Bäckerei und Wohnhaus, überquerten den von Arkaden gesäumten Platz vor der Kirche, wo Matzbach zu seinem Vergnügen eine weitere Kneipe entdeckte, die ein Restaurant zu sein durch ein Schild behauptete. »Aha«, sagte er, »dann hat der Ort mindestens siebenhundert Einwohner.« Neben der Kirche stahl sich ein kleiner Weg von hinnen, der nach wenigen Metern von Kopfstein zu Schotter, dann bald zu schlichtem Lehm überging. Die Fahrspuren waren nicht gerade eben, und der Mittelstreifen bot einen interessanten Auszug der örtlichen Flora dar. Brummend navigierte Baltasar sein hochbeinig aufgepumptes Gefährt bergan.
    Nach etwa dreihundert Metern passierten sie den Dorffriedhof: Feldsteinmauer, ein schmiedeeisernes Flügeltor, Büsche, Sträucher, eine unter Palmen fast verschwindende Kapelle und zahlreiche Grabmäler. Der Weg stieg an. Auf halber Höhe wand er sich um einen Waldvorsprung und erreichte schließlich ein Plateau, auf dem etwas angebaut wurde, was den unkundigen Städtern nicht identifizierbar war. Links endete das Feld an einem lichten Nadelwald, der zum nächsten Tal abfiel; rechts zog sich
maquis
zu einer weiteren Anhöhe empor. Der Weg wand sich weiter nach Norden, tauchte abermals in einen Wald ein und begann leicht abzufallen.
    Vor ihnen tat sich ein paradiesisches Tal auf. Ein kleiner Bach, sattes Grün, einige Brunnen, auf einer Weide mehrere Pferde, die Hänge bewaldet. Der Weg führte über eine Holzbrücke und dann durch die Wiesen auf eine hohe Baumgruppe zu. Unter den Bäumen – Ariane erkannte Eichen und Kastanien – stand ein wunderschönes altes Herrenhaus mit überdachtem Portal, einer verglasten Veranda, Balkons, Erkern und Türmchen; in vornehmem Abstand umlagerten es Ställe, Garagen und ein Wirtschaftsgebäude.
    Baltasar steuerte auf den großen Platz zwischen Villa und Ställen zu und schaltete den Motor ab. Sie stiegen aus. Die Luft war würzig und roch nach Kräutern, Mist und Holzfeuer; aus dem großen Kamin der Villa stieg heller Rauch in den blaßblauen Novemberhimmel. Von dem Platz gingen Fuß- und Karrenwege aus: einer führte in den Wald, ein anderer von den Ställen zur Weide, ein dritter zum Talende, wo sich ein kuppelförmiger Hügel erhob, der von Eichen bestanden war.
    Ariane sah sich um und lächelte; sie kommunizierte mit der Landschaft. Baltasar nickte feierlich und verkündete: »Wenn ich mal groß bin, möchte ich auch so was haben.«
    Mit vielen Blicken nach allen Seiten begaben sie sich zum Portal. Baltasar betätigte den Klopfring im Maul eines eisernen Löwen. Ein grauhaariger Mann Mitte der Fünfzig, der durcheinander Deutsch mit schweizerischem und Französisch mit italienischem Akzent sprach, öffnete und bat sie in eine große Eingangshalle. Rechts und links der Eingangstür führten hufeisenförmig zwei Treppen zur ersten Etage, wo sie über der Halle eine Galerie bildeten. Im Parterre standen vor den getäfelten Wänden lange, abgewetzte Bänke aus dunklem Holz, in regelmäßigen Abständen von Türen unterbrochen. Gegenüber dem Portal hingen dicke Portieren, die der Grauhaarige zuvorkommend beiseite schob. Er öffnete die dahinterliegende Tür und geleitete sie in einen großen, hohen Raum. Er bat sie, einen Moment zu warten, und verschwand in einem angrenzenden Gemach.
    Ariane betrachtete entzückt die riesige, vermutlich flandrische Tapisserie,

Weitere Kostenlose Bücher