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Das Doppelgrab in der Provence

Das Doppelgrab in der Provence

Titel: Das Doppelgrab in der Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Licht nicht unter den Scheffel stellen, Herr Demlixh. Immerhin haben Sie Erfolg. Darf ich eine dumme Frage fragen – wie sprechen Sie eigentlich Ihren Namen aus?«
    Demlixh lächelte. »Demmlich – aber mit dem x sind die naheliegenden Assoziationen ein wenig entschärft. – Was Erfolg angeht, der ist sekundär, letzten Endes. Er hat mir diesen bescheidenen Luxus hier ermöglicht, aber Sokrates blickt mich noch immer so mißbilligend an wie früher. Die Büste habe ich vor Jahren gekauft, noch vor dem ersten eigenen Buch. Sie war billig, aber ich hänge an ihr.«
    Mit dem Kinn deutete er auf einen gipsenen Sokrates, der im Regal stand und die Versammelten übersah.
    Baltasar fuchtelte mit seiner Zigarre. »Ach, ich an Ihrer Stelle würde mir den mißbilligenden Blick des Alten nicht zu Herzen nehmen. Und der Preis der Büste spielt keine Rolle angesichts dessen, was sie repräsentiert.«
    Demlixh nickte. »Sie sagen es. Interessieren Sie sich für Bücher?
    Ariane lächelte. »Er ist in seiner vorigen Inkarnation bestimmt ein papierfressender Wurm gewesen«, sagte sie, »der nie satt geworden ist. Das holt er in diesem Leben alles nach.«
    »Ich kenne das.« Demlixh lächelte weniger gequält als zuvor. »Sehen Sie sich ruhig um. Wenn ich bei Fremden bin, die Bücher haben, bin ich nicht glücklich, bis ich die Regale erforscht habe.«
    Baltasar legte seine Zigarre weg und stand auf. »Ich danke Ihnen für die freundliche Erlaubnis«, sagte er. Langsam begann er, die Regale zu durchforschen, soweit er die Reihen ohne Leiter begutachten konnte. »
A Black Letter Wycliff
«, murmelte er, als er hinter Demlixhs Rücken stand. »Darf ich diese Kostbarkeit vorsichtig anfassen?«
    Demlixh drehte sich halb um. »Selbstverständlich«, sagte er erfreut.
    Baltasar nahm die uralte englische Bibelausgabe aus dem Regal und blätterte eine Weile ehrfurchtsvoll darin. Schließlich stellte er sie wieder zurück und ging kopfschüttelnd an den Reihen entlang.
    »Liebe Güte«, sagte er halblaut, »so viele Schätze. Die komplette Enzyklopädie von Bayle ... und das dürfte der Voltaire zu Lebzeiten sein, die Ausgabe von Neuchâtel, ja?«
    Er wanderte an den Wänden entlang, nahm gelegentlich ein Buch heraus, fragend und kommentierend, und Demlixh, verdreht in seinem Lehnstuhl, antwortete, wies ihn auf Besonderheiten hin und freute sich. Ariane gehorchte einem Gefühl und blieb stumm sitzen. Eine lateinische Pliniusausgabe in einem Folioband aus dem 17. Jahrhundert führte zu einer mehrminütigen Zitatenschlacht. Schließlich sagte Demlixh:
    »Wenn Sie meine liebsten Schätze sehen wollen, kommen Sie mal hier herüber.« Er zeigte auf die Wand gleich neben sich.
    Baltasar trat zu ihm und untersuchte die bezeichneten Reihen mit zusammengekniffenen Augen. »
Mon Dieu
«, sagte er, »das ist ja eine phantastische Alexander-Sammlung.«
    Demlixh lächelte. »Ich glaube nicht, daß ein wichtiges Werk über ihn aus den letzten zweitausend Jahren fehlt. Er gehört zu meinen Hausheiligen. Und hier, sehen Sie ... ja, nehmen Sie das ruhig in die Hand.«
    Baltasar befingerte rücksichtsvoll meistenteils signierte Erstausgaben von Gide, Proust und Cocteau; Demlixh zeigte ihm ein Exemplar der Erstausgabe von Baudelaires Poe-Übersetzung und viele weitere Kostbarkeiten.
    Als Matzbach sich endlich wieder setzte, sagte er: »Herzlichen Dank; Sie sind wirklich zu beneiden.«
    Nach einem Geplänkel über Literatur im allgemeinen räusperte Baltasar sich. »Übrigens danke ich Ihnen, daß Sie mir in Sachen Bronner geschrieben haben. Ich hoffe, es hat Sie nicht allzuviel Kraft gekostet, die von Ihrer Genesung abgezogen werden mußte.«
    Demlixh winkte ab. »Machen Sie sich deswegen keine Sorgen; die Zeitungen haben wie üblich stark übertrieben. Zum Glück hatte ich von diesem Fisch kaum etwas gegessen; die arme Louise ...« Er schüttelte den Kopf und fuhr sich mit der Hand über die Augen.
    »Sie haben offenbar großes Glück gehabt«, sagte Baltasar. »Was war es denn für ein Fisch?«
    Demlixh hob die Brauen. »Ach, eine Zahnbrasse. Eigentlich einer meiner Lieblingsfische, aber irgendwie war mir an dem Tag ohnehin nicht so ganz wohl; ich fürchte, ich habe bisweilen einen empfindlichen Magen. Jedenfalls hatte ich keinen Appetit; ich habe nur wenig gegessen. Louise muß den Rest in der Küche zu sich genommen haben ...«
    Baltasar nickte. »Es wäre ja auch schade gewesen, einen so schönen Fisch verkommen zu lassen. Wer konnte schon ahnen ... Sie

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