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Das Doppelgrab in der Provence

Das Doppelgrab in der Provence

Titel: Das Doppelgrab in der Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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die neben der Tür fast die ganze Wandhälfte bedeckte. In dunklem Grün hatte ein unbekannter Künstler eine griechische Jagdszene dargestellt: Hippolytos und Gefährten bei der Erlegung eines weißen Hirschs. Unter dem Wandteppich stand eine uralte niederländische Bauerntruhe, daneben ein Scherenstuhl. Die dicken Holzbohlen des Bodens verschwanden in der Raummitte unter einem weichen, tiefen Perser. Neben der Tapisserie führte eine kleinere Tür vermutlich in eines der Zimmer, die auch vom Gang aus zu erreichen waren; daneben blickte ein Fenster mit Doppelscheiben auf den Hof hinaus, den Baltasar als Parkplatz benutzt hatte. Dem Wandteppich gegenüber sah die breite Fensterfront auf Veranda und Bachlandschaft. Unter den Fenstern befanden sich nachträglich eingebaute Heizkörper; an der vierten Wand führte eine Tür in einen ebenfalls an der Veranda liegenden Raum. Am Kamin neben dieser Tür entdeckte Ariane auf dem Sims einen feisten Bonvivant, der Ähnlichkeit mit Baltasar aufwies. An den weiteren Wänden und mitten im Raum waren Sitzgelegenheiten und Tische aufgestellt, die sämtlich spätestens gegen 1799 alt gewesen waren und Platz für zwei Dutzend Personen boten.
    Unter den jagdfiebernden Blicken der nackten griechischen Heroen warteten Baltasar und Ariane auf die Rückkehr des Grauhaarigen. Nach einiger Zeit erschien er aus dem nächsten Raum und bat sie, ihm zu folgen. Sie durchschritten ein weiteres erlesenes Gemach, aus dem gläserne Flügeltüren auf die Veranda führten, und erreichten das Südostzimmer der Villa, Demlixhs Bibliothek.
    Der berühmte Phantast saß in einem Lehnstuhl neben dem großen Kamin, in dem ein munteres Verbrennen von Holz und Papier vor sich ging. Abgesehen vom Kamin und dem Arbeitstisch mit Papierstapeln vor den Südfenstern sowie einer kleinen, zur Hausmitte führenden Tür bestand das Zimmer vor allem aus Büchern. Baltasar seufzte leise und blickte an den massigen, vier Meter hohen Eichenregalen empor. Sessel und Stühle und eine kleine Sitzecke vervollständigten die Einrichtung des mit schweren Teppichen ausgelegten Raums.
    Demlixh erhob sich aus dem Lehnstuhl und reichte Ariane die Hand, danach begrüßte er Matzbach.
    »Seien Sie willkommen und nehmen Sie bitte Platz!« Er wies auf zwei Sessel neben dem Lehnstuhl. Galant rückte Baltasar den mittleren Sitz für Ariane zurecht, ließ sich dann in den linken plumpsen. Alle drei hatten die Gesichter dem Feuer zugewandt; zwischen den Sesseln standen Tischchen. Demlixh hatte einen großen Haufen von Papier auf einem Extratisch zu seiner Rechten liegen.
    »Kann ich Ihnen etwas anbieten? Kaffee, Tee, Likör, Wein?«
    Ariane und Baltasar baten um Kaffee und Cognac; der Grauhaarige deutete eine Verneigung an und verschwand.
    Demlixh ließ seine Blicke von Ariane zu Baltasar und wieder zurück wandern. Er hatte Ähnlichkeit mit Peter Lorre: weit auseinanderstehende Froschaugen, umgeben von Netzgräben, eine mittelgroße, gerade Nase, ein trauriger Mund und ein zurückhaltendes Kinn. Die fortgeschrittene Frontlichtung der graumelierten Haare ließ die Stirn noch höher erscheinen. Demlixh war blaß; der Kragen des grauen Flanellhemds über dem grauen Pullover schien nur eine etwas dunklere Fortsetzung des Gesichts zu sein. Er hielt die dünnen Hände mit den spitz zulaufenden Fingern verschränkt im Schoß; die Beine in grauer Wollhose und die Füße, in grauen, dicken Filzpantoffeln, ruhten auf einem Schemel gleich neben dem Kamin.
    Baltasar inszenierte einen farbigen Smalltalk, bis der Grauhaarige Kaffee und Cognac brachte und einschenkte. Dann bat er um einen Aschbecher, den er auf das Tischchen zwischen seinem und Arianes Sessel stellte.
    »Wie ich vorhin, als wir hier ankamen, schon zu dieser reizenden Dame sagte: Wenn ich groß bin, möchte ich mir so was auch leisten können. Vor allem Ihre Bibliothek beeindruckt mich.«
    Demlixh nahm das Kompliment mit einer Neigung des Kopfes zur Kenntnis. »Nun ja, wissen Sie, dies hier ist mein liebster Aufenthalts- und Arbeitsort, aber in den Regalen finden Sie natürlich nur die Kostbarkeiten. Reichlich, glaube ich. Was ich so für mein Schreiben brauche, ist auf mehrere andere Räume verteilt – Forschungsberichte, Fachliteratur und so weiter. Ich finde, man sollte die in diesem Raum weilenden Größen des Weltgeistes nicht durch die Gesellschaft von Fachidioten und Stümpern wie Demlixh kompromittieren.« Er lächelte flüchtig.
    Ariane erwiderte sein Lächeln. »Sie sollten Ihr

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