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Das Dorf der Mörder

Das Dorf der Mörder

Titel: Das Dorf der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Glas Champagner.
    Das hieß: Gib mir fünf Minuten mit ihm allein. Mechthild orderte auf die Nachfrage des Kellners hin statt der Hausmarke Roederer Cristal. Das hieß: Okay, fünf Minuten. Und keine Sekunde länger, mein Lieber. Dabei schenkte sie Henny ein so hinreißendes Lächeln, als ob sie ihr schon auf dem Spielplatz die Windeln gewechselt hätte.
    Saaler und Henny gönnten sich eine Flasche Meursault.
    »Wollt ihr nicht mal nachsehen, ob es heute Langusten gibt?«, fragte Brock.
    Henny und Mechthild verstanden und hielten das für eine gute Idee. Sie machten sich auf den Weg, Henny hakte sich bei Mechthild unter. Sie sahen aus wie Mutter und Tochter.
    »Rubin …«, begann Brock ohne Einleitung.
    Saaler nickte. »Ich habe es gehört. Schlimme Sache. In der U-Haft, nicht wahr? Ich weiß nicht, was in unseren Haftanstalten los ist. Drogen, Handys, Waffen … wie kann das sein?«
    »Eine Heftklammer. Wahrscheinlich auch noch aus unserem Büro.«
    »Oh.« Saaler nickte mitfühlend. »Das gibt eine Menge Scherereien.«
    »Die sind nicht so wichtig.«
    »Was bedrückt dich dann? Ist etwas mit Jeremy?« Bei der Erwähnung seines Sohnes bekam Saalers Stimme unbewusst mehr Schärfe.
    Brock schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein, nein. Obwohl … ich glaube, er hat sich in eine junge Frau verguckt.«
    »Die mit der Baby-Allergie?«
    »Mit was?«
    »Er hat mir von ihr erzählt.« Saalers Ton gewann nicht unbedingt an Wärme. »Eine merkwürdige Frau. Bekommt hysterische Anfälle bei Kindergeschrei. Er wollte wissen, was das bedeuten könnte.«
    Der Kellner brachte die Getränke. Saaler kostete den Wein, nickte und ließ sich einschenken. Brock stieß mit seinem Bier an. Nachdem sie einige Schlucke schweigend getrunken hatten, setzte er sein Glas ab. Mechthild und Henny hatten sich ans Ende der Schlange eingereiht, das gab ihnen etwas mehr Zeit als fünf Minuten.
    »Und? Was hat es zu bedeuten?«
    »Eine Abtreibung, würde ich sagen. Die Fälle, in denen junge, gut ausgebildete Frauen ihre Kinder zur Adoption freigeben oder sie in die Babyklappe legen, sind selten. Sie haben ein Umfeld, das aufmerksamer ist und in dem sich Schwangerschaften nicht so leicht verheimlichen lassen. Die Aversion gegen das Geschrei, dieser Hass auf das Kind – sein Gegenpol ist nicht Liebe, sondern Egoismus.«
    »War es ein männlicher oder ein weiblicher Säugling?«
    »Freud?« Saaler hob sein Weinglas und betrachtete den Inhalt. »Nein. Narzissmus. Das Geschrei ist wie eine Ohrfeige. Eine Kränkung, die jedes Mal an das eigene Versagen erinnert.«
    »Dann müsste dieses Versagen aber auch als solches erkannt werden. Ein lupenreiner Narziss sieht Fehler nie bei sich selbst. Nur bei anderen.«
    Saaler stellte das Glas ab. »Wenn man uns so reden hört …«
    Brock nickte. Sie warfen sich Hypothesen zu wie Kinder Flummis. Trotzdem waren die Neuigkeiten, die Brock über Cara erfuhr, alarmierend. Er bemühte sich aber, in Jeremys Interesse gegenüber dessen Vater seine Besorgnis nicht zu zeigen.
    »Eine Baby-Allergie, so was …« Brock schob sein Glas zur Seite, weil der Kellner Besteck, einen Brotkorb und einen kleinen Teller mit frischer bretonischer Sel-de-mer -Butter brachte. Er wartete, bis der Mann seine Arbeit beendet hatte, und beobachtete dabei, wie der Zauberer einem kleinen Mädchen eine Münze hinter dem linken Ohr hervorzog.
    »Das Geschrei«, sagte Saaler. »Nur das Geschrei. Dann führt sie sich wohl auf wie eine Hysterikerin. Wenn das was Ernstes wird, dann weiß ich ja, wer dem Kind nachts das Fläschchen gibt.«
    Brock war erstaunt, dass Saaler das wusste. Er unterstellte seinem langjährigen Kollegen, dass dieser in Bezug auf Kinder von nichts eine Ahnung hatte. Er nahm ein Stück Weißbrot und bestrich es mit Butter.
    »Falls es Kinder gibt«, fuhr Saaler fort. Sein Gesicht mit den markanten Zügen hatte alle Freundlichkeit verloren. Wenn dieser Cäsar nicht gerade lächelte, sah er aus, als ob er gerade eine Kohorte Sklaven zum Tod in der Arena verurteilt hatte. »Ich möchte niemanden in meiner näheren Umgebung, der Abtreibungen gutheißt oder sogar selbst … nein. Ausgeschlossen.«
    »Bevor du dich in etwas hineinsteigerst – es ist überhaupt nicht klar, was zu dieser Schrei-Phobie geführt hat. Ich habe eine ganz andere Theorie, was diese junge Dame betrifft.«
    »Du kennst sie?«
    »Es ist Rubins Schwester.«
    »Wie bitte?«
    Brock wusste, dass dies ein Vertrauensbruch war. Aber im Vergleich zu den Schuldgefühlen,

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