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Das Dorf der Mörder

Das Dorf der Mörder

Titel: Das Dorf der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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ausgesprochen hatte, dass er ihn zum ersten Mal seit seiner Kindheit wieder verwendete. Am anderen Ende der Leitung war es still.
    »Hallo? Vater?«
    »Ist … ist alles in Ordnung?«
    »Ja«, sagte er. »Mach dir keine Sorgen. Ich melde mich. Tu mir einen Gefallen und rufe Brock an. Er hatte Recht. Sag ihm das.«
    Er spürte Caras Wärme und dachte, dass jeder Mensch eine Familie brauchte.
    »Und ich bringe jemanden mit nach Hause.«
    »Ist sie … ist sie das?«
    Offenbar war Jason Saaler informiert. Jeremy rechnete mit seiner sofortigen Enterbung.
    »Ja.«
    Schweigen. Schließlich sagte sein Vater: »Na, dann werde ich mir die junge Dame mal ansehen.«
    Jeder Mensch brauchte das. Auch Jason Saaler.
    Sanela spürte, wie durch den Infusionsschlauch das Leben in sie zurückkehrte. Sie lag auf einer Trage am Fuß eines Hügels. Das Erste, was sie sah, waren die in orangerotes Licht getauchten Gewitterwolken am Himmel, die die Sonne verschluckt hatten und nun von innen heraus zu leuchten schienen. Sie hörte Sirenen, Rufe, das Bellen von Hunden, und sie sah Gestalten in Uniformen herumhuschen und eine Frau, die ein Absperrband abrollte.
    Kriminalhauptkommissar Lutz Gehring, großes Tier der Sedanstraße, beugte sich über sie und tätschelte ohne Unterlass die Hand mit der Infusionsnadel.
    »Geht’s wieder?«, fragte er. »Frau Beara? Erkennen Sie mich?«
    »Ja«, stöhnte sie und schob die Maske hoch. »Lassen Sie … bitte … meine Hand los. Das tut weh.«
    »Oh, Verzeihung. Na, dann kommen Sie erst mal wieder auf die Beine, alles Weitere werden wir dann schon sehen. Guter Riecher, Frau Beara, guter Riecher.«
    Er trat unruhig von einem Fuß auf den anderen.
    »Kaum zu glauben, wie Sie es da drin ausgehalten haben. Ich habe mir die Grube eben kurz angesehen. Die Spurensicherung wird gleich hier sein. Wer weiß, was wir alles da drin finden.«
    »Vier Erwachsene, drei Kinder«, flüsterte sie. »Zwei Mal äußere Gewalteinwirkung, glaube ich. Es sind Löcher in den Schädeldecken.«
    Er sah sie an, dann drehte er sich weg. Er wischte sich etwas aus den Augen, wahrscheinlich eine von diesen winzigen Fliegen, die man aus Versehen sogar einatmete.
    »Sie haben einen Kaffee bei mir gut. Ich werde mal sehen, ob ich einen auftreiben kann.«
    Er ging los, ohne sich noch einmal umzusehen. Mühsam versuchte sie, den Kopf zu heben, doch sie war zu schwach. Seltsam. Diese eine, letzte Bewegung da unten, dieser Handkantenschlag, mit dem sie den Täter außer Gefecht gesetzt hatte, musste sie alle verbliebene Kraft gekostet haben. Es war der letzte Funke Leben gewesen, den sie noch in sich gespürt hatte. Eine Explosion, wie die damals im Keller, ein letztes Aufbäumen, ein Nein, ich gebe mein Leben nicht zurück. Es gehört mir. Bis zum letzten Atemzug.
    Bevor sie in den Krankenwagen geschoben wurde, kam Gehring mit dem Kaffee zurück. Seine Augen waren rot. Mussten ja viele Fliegen hier herumschwirren.
    »Ist es so schlimm?«, flüsterte sie.
    Er schüttelte den Kopf, und so wie er das tat, war es ein Ja.
    »Dienstaufsichtsbeschwerde? Aber deshalb müssen Sie doch nicht heulen. Ich versuche es einfach nächstes Jahr nochmal.«
    Er wollte ihr den Kaffee reichen, aber sie lehnte mit einer schwachen Handbewegung ab. Sie hätte noch nicht einmal den Becher halten können.
    »Hören Sie … wenn Sie wieder fit sind …«
    »Gebe ich alles zu Protokoll. Ja.«
    »Nein. Ich dachte, wenn Sie wollen, könnten wir ja mal …« Er brach ab, sah sich um, ob sie auch niemand belauschte, und fuhr sich dann mit einer linkischen Bewegung über seine Haarstoppeln. Dabei machte er ein Gesicht, als hätte er den Faden verloren. Gehring sprachlos. Das musste ins Jahrbuch.
    »Nach Hoppegarten, zocken gehen?«, fragte sie.
    Er nickte.
    »Ich dachte, Sie setzen nicht auf Außenseiter.«
    Er trank einen Schluck Kaffee und vermied es dabei, sie anzusehen. »Von dieser Sache werden Sie noch als Dozentin an der Hochschule erzählen, wissen Sie das?«
    Sie war zu müde, um zu lächeln. Ein Samariter kam und hob die Trage am Fußende an, um sie in den Wagen zu schieben.
    »Also dann«, sagte er.
    »Also dann«, flüsterte sie. »Und nicht vergessen. Die Außenseiter.«
    »Ich habe es begriffen«, rief er ihr zu. Aber da wurde die Tür schon geschlossen.

Danke!
    Ein Buch ist fertig. Begonnen wurde es im Berliner Winter und beendet im heißen Sommer Südfrankreichs. Es hat mich lange begleitet. Die vielen Nächte, in denen Sanela und Gehring, Jeremy und

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