Das Dorf der Mörder
bekommen.«
»Frau Beara. Sind Sie mir bis Hoppegarten gefolgt, um mich an einen Kaffee zu erinnern?«
Sie antwortete nicht. Die Leute hinter ihr murrten, er hatte vergessen aufzurücken.
Zwei Personen waren noch vor ihm an der Reihe. So lange musste er diese kleine Besserwisserin noch aushalten.
»Die Clowns«, sagte sie. »Irgendwas stimmt mit den Clowns nicht.«
»Ich sehe keine Clowns. Das ist eine Galopprennbahn und kein Kinderzirkus.«
»Im Tierpark. Der Pekari-Fall. Ein Clown wurde fast zur gleichen Zeit an zwei verschiedenen Orten gesichtet.«
Gut. Sie wollte es. Es ließ sich wohl nicht vermeiden. Er mobilisierte die kläglichen Restbestände seiner Geduld.
»Glauben Sie mir, ich habe jedes Detail der Ermittlungen überprüft. Da ist kein Clown zweimal aufgetaucht. Der Mann wurde vernommen, war aber mit seinem Leierkasten und den Luftballons zu weit vom Gehege entfernt, um etwas bemerkt zu haben. Er wurde auch nur befragt, weil sich an seinem Standort einige der Zeugen orientieren konnten. Die Skizze wird Ihnen wohl nicht entgangen sein.«
»Nein. Aber es gab einen zweiten Clown.«
Gehring war an der Reihe. Er schob dem Mann hinter dem Schalter seinen Tippschein zu, bezahlte zwei Euro und trat zur Seite. Dies wäre ein guter Moment, um sich von Beara zu verabschieden und das Weite zu suchen. Wenn sie den Mund gehalten hätte.
»Er tauchte nur ein einziges Mal auf, in den Zeugenaussagen der Kinder. – Ja, Nachtschatten.«
Sie schob fünfzig Euro in die Münzschale. Gehring registrierte verblüfft, dass sie den Tippschein ohne Wechselgeld zurückbekam.
»Sie haben fünfzig Euro gesetzt? Aber Nachtschatten ist ein Außenseiter.«
»Deshalb hat er es verdient.«
Sie steckte den Tippschein ein und folgte ihm, weg von den Schlangen und den laut diskutierenden Gruppen, den Familien, den Leuten vor den Getränkeständen. Sie folgte ihm, und er konnte nichts tun, um sie abzuschütteln.
»Die Clowns«, begann sie nochmal. Gehring unterbrach sie.
»Es gibt keine Zeugenaussagen, die einen zweiten Clown erwähnen.«
»Das stimmt. Weil sich keiner um die Kinder gekümmert hat.«
»Kinder?«
»Der erste Notruf kam von einer Erzieherin. Sie war mit einer Kita-Gruppe im Tierpark. Ich habe mit zweien von ihren Kids gesprochen.«
»Sie haben was?« Am liebsten hätte er sie vor allen Leuten gepackt und geschüttelt. »Warum haben Sie das nie erwähnt?«
»Weil ich schon genug Scherereien hatte? Weil doch jeder eins und eins zusammenzählen konnte und das Ergebnis immer Charlotte Rubin war? Weil Sie sich jedes Mal verleugnen ließen, wenn ich versucht habe, Sie zu erreichen? Ich bin die Akte durchgegangen, Wort für Wort. Ich habe die Zeiten und die Zeugenaussagen verglichen. Ich war sogar nochmal da und habe mir alles angesehen. Ein Kind wurde von einem Clown beinahe über den Haufen gerannt. Links neben dem Gehege, dort, wo es durch die Büsche zu den Futterraufen geht. Da ist ein kleiner Weg, den man ohne Probleme mit einem Schubkarren befahren kann. So ein Gefährt muss diese Person benutzt haben. Und ein Clownskostüm, um nicht aufzufallen.«
Er schüttelte den Kopf, stumm vor Zorn. Neue Erkenntnisse nach Abschluss einer Ermittlung waren das Letzte, was man gebrauchen konnte.
»Was wollen Sie mir eigentlich sagen?«
»Ich würde … also ich …« Sie schluckte. Ach ja, plötzlich verließ einen der Mut. Erst wilde Spekulationen in die Welt setzen und dann nichts in petto haben, um diese auch zu untermauern. Er erinnerte sich an einige Pressekonferenzen am Platz der Luftbrücke. Es ging um den aktuellen Ermittlungsstand, mit dem die Presse die Öffentlichkeit füttern konnte. Fast jedes Mal hatte es zusätzlich zu den sachbezogenen Fragen auch irgendwelche unqualifizierten Äußerungen gegeben, warum man denn nicht in diese oder jene Richtung ermittelte.
»Sie würden, wenn ich Sie richtig verstehe, einen Clown suchen lassen?«
»Also zumindest den, der auch noch dort war.«
»Auf Grund der Aussage von zwei Kindern? Wie alt?«
»Fünf«, antwortete Beara. Ihr mussten in diesem Moment wohl die ersten Zweifel durch den Kopf schießen. »Oder sechs.«
»Ist Ihnen bekannt, wie schwierig, wie außerordentlich schwierig die Befragung von Kindern ist? Und wie viel Gewicht solchen Aussagen, die auch noch nachträglich erfolgen, bei Gericht zugemessen wird?«
»Das kann ich mir denken. Trotzdem sollte man der Sache doch nachgehen, oder?«
Aus den Lautsprechern erscholl die Aufforderung an die
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