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Das Dorf der Mörder

Das Dorf der Mörder

Titel: Das Dorf der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Besucher, die Tribünenplätze für das nächste Rennen einzunehmen.
    »Nein«, sagte er und ließ sie stehen.
    Aber sie folgte ihm. Wie deutlich musste man eigentlich noch werden? Sie hatte mit ihrem Übereifer schon damals gefährlich nahe am Rand einer Dienstaufsichtsbeschwerde herumbalanciert. Er wollte sie nicht daran erinnern, dass er es gewesen war, der den Ball flach gehalten und ihre verspätete Aussage kommentarlos unter die anderen geschoben hatte. In diesem Moment bereute er, nicht härter gewesen zu sein.
    »Ich habe Zweifel, dass sich alles so zugetragen hat. Das habe ich Ihnen schon damals erklärt, und ich bleibe dabei. Man muss sich die Kinder nochmal vornehmen und die Angestellten im Tierpark erneut befragen. Vielleicht reicht ja schon ein Anruf.«
    »Und?« Er blieb stehen. Fast wäre sie in ihn hineingelaufen. »Was hat dieser Anruf ergeben? Ach, kommen Sie. Tun Sie nicht so. Das haben Sie doch schon längst getan.«
    Sie sah zu Boden. »Es gibt nur einen Clown.«
    »Ich fasse es nicht. Ich fasse es nicht!«
    Leute drehten sich um, musterten sie mit unverhohlener Neugier. Er nahm Beara am Arm und zog sie aus der Menge hinüber zu einem Getränkestand, der als Einziger nicht so bedrängt und umstellt war wie die anderen. Erst als die junge Frau hinter dem Tresen fragte, welchen Champagner sie trinken wollten, erkannte er auch, warum.
    »Nichts«, blaffte er. Die junge Frau setzte zu einer Erwiderung an, der er mit dem Befehl »Ein Wasser!« zuvorkam.
    »Sie haben dort angerufen? Ohne Auftrag? Ohne sich auch nur von irgendjemandem Rückendeckung zu holen?«
    »Von wem denn?«, gab sie zurück. »Die gibt mir doch keiner! Ich habe Ihnen Mails geschrieben und einmal sogar auf Sie gewartet.«
    Daran konnte er sich erinnern. Es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte den Hinterausgang genommen. Er hatte der Begegnung nur ausweichen können, indem er ein Gespräch mit einer Kollegin begonnen und es bis zu seinem Wagen fortgesetzt hatte. Mails mit dem Absender Sanela Beara hatte er ungelesen in den Papierkorb verfrachtet. Er hatte geglaubt, es wäre um seinen Aufstiegsvermerk gegangen. In diesen Dingen war er überpenibel.
    »Langsam wird es wirklich eng für Sie.« Er nahm das Glas und die Wasserflasche, die so viel kostete wie Champagner bei Aldi, und schob ihr beides hinüber.
    »Ich weiß nicht, wie lange ich Ihre Alleingänge noch decken kann oder will.«
    Sie goss die Hälfte des Wassers ins Glas und reichte ihm die Flasche zurück.
    »Ich habe gesagt, es geht um einen Kindergeburtstag. Und dass ich zwei Clowns brauche, weil wir so viele sind. Man sagte mir, dann müsste ich einen eigenen mitbringen. Sie hätten nur einen. Als ich meinte, ich hätte neulich aber zwei gesehen, blieben sie dabei. Einer kommt vom Tierpark, jeder weitere Bedarf an Clowns muss aus den eigenen Ressourcen gedeckt werden.«
    Gehring trank sein Wasser. Es war eiskalt, und er spürte, wie es seinen Weg durch Kehle und Brust bis in den Magen nahm.
    »Also«, fuhr sie fort. »Ein Clown mit einer Schubkarre oder so etwas Ähnlichem war hinter dem Pekari-Gehege, dort, wo er definitiv nichts zu suchen hat. Er fährt in aller Eile ein Mädchen an und macht sich aus dem Staub. Wer kann das gewesen sein?«
    Gehring stellte die leere Flasche ab. Von ferne hörte er die begeisterten Anfeuerungsrufe der Zuschauer. Das Trommeln der Hufe auf der Bahn kam näher, wurde lauter. Die wilde Jagd preschte vorbei, keine fünfzig Meter entfernt. Das war sein Rennen. Und er verpasste es, weil dieser Zwerg es sich in den Kopf gesetzt hatte, ihm den Sonntag zu verderben.
    »Gesetzt den Fall, der Clown war wirklich da.« Er atmete tief durch. »Dann gehörte er vielleicht zu einer Geburtstagsfeier und musste pinkeln.«
    Der Blick, den sie ihm zuwarf, sprach Bände.
    »Zweite Möglichkeit, und ich sehe Ihnen an, dass Sie darauf spekulieren: Es war unsere Täterin, die verkleidet und in einer Clownsmaske noch einmal an den Schauplatz ihres Verbrechens zurückkehrte, um letzte Spuren zu beseitigen. Irrsinnig, aber wir haben schon anderes erlebt. Dann ist Charlotte Rubin allerdings immer noch nicht aus dem Rennen.«
    »Doch. Der Clown hatte Schminke im Gesicht. Sie war zerlaufen, und er oder sie, wir wissen ja nicht, ob es ein Mann oder eine Frau war, sah gar nicht lustig aus. Er hat den Kindern Angst eingejagt. Ich habe Charlotte Rubin kurz darauf getroffen. Sie hatte nicht die geringste Spur von Schminke im Gesicht. Sie war mit anderen Dingen

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