Das Dorf in der Marsch
Steht nicht irgendwo in den Dienstvorschriften, nach wie vielen Stunden ein Beamter eine Pause einlegen muss ?«
»Ich kenne nur die Passage, dass Husumer Oberkommissare bis zum bitteren Ende durchhalten müssen. Stell dir vor, du wärst bei der Bundeswehr geblieben. Dann würdest du jetzt irgendwo in Afghanistan durch die karge Gebirgslandschaft streifen, statt dich im lieblichen Eiderstedt von Haus zu Haus fahren zu lassen.«
»Irrtum«, widersprach GroÃe Jäger. »Wäre ich beim norddeutschen Trachtenverein geblieben, wäre ich jetzt mindestens Fünf-Sterne-General.«
»Wir kennen in Deutschland nur vier Sterne als höchsten Dienstgrad.«
GroÃe Jäger streckte Christoph die Schulter entgegen. »Auf meine passen aber fünf Sterne. Abgesehen davon â wenn mich der Taliban gesehen hätte, wäre er ohnehin vor Furcht in seinen Erdhöhlen verschwunden.«
»Das mag sein«, stimmte Christoph zu und startete den Wagen.
»Wohin?« Es klang schläfrig.
»Wir wollen unsere Rallye durch das Dorf fortsetzen.«
SECHS
Das Haus des Ehepaars Matuschka lag in Nachbarschaft zum Hof von Reimer Reimers, wenn auch vielleicht in einhundert Metern Distanz. Die Beamten schienen schon erwartet zu werden. Sie hatten den Volvo noch gar nicht verlassen, als eine Frau in einem leger wirkenden, aber sicher aus einem guten Textilgeschäft stammenden Hosenanzug aus grober Seide die Tür öffnete. Christoph schätzte sie auf jenseits der sechzig, und die gepflegte sportliche Figur lieà sie immer noch attraktiv wirken.
»Sie kommen wegen Witte«, stellte sie fest, als die Beamten sich dem Eingang näherten.
Sie bat die Polizisten ins Haus und führte sie in den Wintergarten, der sich an der Rückseite des geschickt modernisierten älteren Hauses befand. Erst jetzt sah man, von der StraÃenfront nicht erkennbar, dass im rechten Winkel ein modern wirkender groÃzügiger Flachbau angebaut worden war.
Der Wintergarten war lichtdurchflutet und von einer Leichtigkeit, dass man fast das Gefühl hatte, im Garten zu sitzen. Er gab den Blick auf die gepflegte AuÃenanlage frei. Die Gestaltung war durch einen Gartenarchitekten erfolgt. Auf den ersten Blick wirkte es, als wäre der Garten einschlieÃlich des Teichs nicht Wirklichkeit, sondern ein gestelltes Foto aus einem Hochglanzmagazin für exquisites Wohnen.
Bevor ihnen Frau Matuschka einen Platz in den Rattansesseln anbieten konnte, ertönte hinter ihnen eine sonore Stimme.
»Guten Tag.«
Die Beamten drehten sich um und sahen einen kräftig gebauten Mann mit hoher Stirn, der im Unterschied zu seiner Frau zu einer leichten Fülle neigte. Er trug ein Sporthemd, das sich über seinen Bauch spannte, und eine Edeljeans.
»Polizei Husum«, versuchte Christoph zu erklären, aber Matuschka winkte ab.
»Geschenkt. Das weià inzwischen jeder hier im Dorf.«
Sie nahmen Platz.
»Woher haben Sie die Information?«, fragte Christoph.
»Die alte Reimers war hier. Mit ihrem Enkel«, erzählte Matuschka. »Da waren Sie gerade drüben auf dem Hof eingetroffen.«
»Was hat Frau Reimers berichtet?«
»Mariechen war hier und â¦Â«
»Else! Das ist Frau Reimers. Es ist schlimm, wenn du von den Leuten stets nur den Vornamen nennst«, unterbrach Matuschka seine Frau barsch. »Wenn diese Unsitte hier auf dem Dorf auch üblich ist, müssen wir dem nicht unbedingt folgen.« Er drehte sich zu Christoph um. »Meine Frau wollte erzählen, dass die Mutter von Reimers mit dem Enkel â¦Â«
»Yannick«, unterbrach GroÃe Jäger nun seinerseits den Mann.
Matuschka fuhr ärgerlich mit der Hand durch die Luft. »Mag sein. Ich weià nicht, wie das Balg heiÃt. Das ist auch unbedeutend. Also! Frau Reimers tauchte hier auf. Sie war atemlos und konnte kaum sprechen. Meine Frau hat mich dazugebeten, obwohl ich mich sonst aus dem Weibergewäsch heraushalte. Die Reimers erzählte, dass es auf ihrem Hof von Polizei wimmele, weil man dort den Witte gefunden habe. Er sei zerhackt und zerkleinert in der Biogasanlage aufgetaucht. In diesem runden Behälter.« Er schnippte mit dem Finger. »Wie heiÃt das Dingens noch gleich?«
»Fermenter«, half Christoph.
»Kann sein. Da sei Witte gefunden worden. Zumindest Teile von ihm. Der Rest ist wohl schon aufgelöst.«
Christoph war überrascht, mit welch
Weitere Kostenlose Bücher