Das Dorf in der Marsch
der Tür.«
»Es ist eine Formalität«, blieb Christoph hartnäckig.
»Sie könnten ja auch Michelangelo, Gerhard Richter oder Konrad Kujau sein«, erklärte GroÃe Jäger.
»Lächerlich. Das ist es, was die Leute nicht verstehen. Dieses staatliche Misstrauen gegenüber dem Bürger. Das hier ist mein Atelier. Meine Bilder. Und dann â so was.«
GroÃe Jäger streckte ihm die Handfläche entgegen. »Ausweis!«
Gaultier murmelte etwas vor sich hin, als er den Raum verlieà und nach ein paar Minuten mit seinem Ausweis zurückkehrte. Der Oberkommissar wollte das Dokument entgegennehmen, aber Gaultier ignorierte ihn und reichte es Christoph.
Der blickte Gaultier ins Gesicht, drehte das Dokument um, und verglich erneut das Bild mit dem Maler.
»Hier steht ein anderer Name«, sagte Christoph schlieÃlich. »Das Bild weist eine gewisse Ãhnlichkeit auf. Gibt es eine Erklärung dafür?«
Gaultier streckte die Hand aus. »Ist das von Belang?«
»Wir möchten schon gerne wissen, mit wem wir sprechen.«
Der Maler stöhnte auf. »Mit mir. Roger Gaultier ist mein Künstlername.«
Christoph drehte den Ausweis um. »Der ist hier aber nicht eingetragen.«
»Ich war auf der Amtsverwaltung in Garding. Das sind sture Leute. Eiderstedter eben. Die haben mir den Eintrag des Künstlernamens verweigert.«
Christoph gab dem Mann den Ausweis zurück. »Korrekt heiÃen Sie Roderich von Eckstein.« Christoph überschlug das Geburtsdatum. Von Eckstein war vierundsiebzig Jahre alt. »Herr von Eckstein â¦Â«
»Muss das publik werden?« Es klang fast flehentlich. »Unter diesem Namen verkaufen sich keine Bilder.«
»Das ist doch ein anständiger Name. Und sogar mit einem Adelsprädikat, einem âºvonâ¹Â«, meldete sich GroÃe Jäger zu Wort.
»Aber schlecht für das Marketing.«
»Das verstehe ich nicht. Van Gogh ist auch mit einem âºvonâ¹ berühmt geworden.«
Von Eckstein alias Gaultier winkte ab und verzichtete auf weitere Einwände.
Der Abschied fiel frostig aus.
»Musst du die Leute stets so reizen?«, fragte Christoph leicht verärgert, als sie zum Auto zurückkehrten.
»Abgesehen davon, dass mir die Kunst des Gauls nicht liegt, haben wir dank der Provokation mehr erfahren, als er uns sonst verraten hätte. Und meine Erklärung vor dem Bild â¦Â«
»Das habe ich verstanden«, unterbrach Christoph den Oberkommissar. »Du hast da den gefundenen Finger hineininterpretiert.«
»Und den Rest, nach dem wir noch suchen.«
Christoph rief auf der Dienststelle an.
»Auf die Familie Witte sind drei Autos zugelassen«, berichtete Hilke Hauck. »Ein VW -Caddy â¦Â«
»Den haben wir gesehen«, warf Christoph zwischendurch ein. »Der steht auf dem Grundstück. Da befindet sich auÃerdem noch ein älterer Golf.«
»Dann gibt es noch ein drittes Fahrzeug.«
»Danach suchen wir.«
»Das ist ein silberfarbener VW -Passat Variant. Das Auto ist drei Jahre alt. Ein Diesel.«
Nach dem mussten sie jetzt suchen, formulierte Christoph eine der nächsten Aufgaben für sich. Wo war das Fahrzeug? Dort in der Nähe könnte man Michael Witte vermuten.
Auf der Mailbox befand sich eine Nachricht von Klaus Jürgensen. Der Spurensicherer hatte einen Mitarbeiter zu Wittes Haus geschickt, um dort eine Zahnbürste, einen Kamm oder andere persönliche Gegenstände sicherzustellen. Im Zweifelsfall würden diese beim DNA -Vergleich mit dem in der Biogasanlage gefundenen Finger nutzen.
GroÃe Jäger verschränkte die Arme im Nacken und drückte das Kreuz durch. Christoph warf einen besorgten Blick auf den Beifahrersitz, der sich mit einem Ãchzen über diese Behandlung beschwerte. Aber Volvo baute stabile Autos.
»Hier wohnen viele merkwürdige Leute«, stellte der Oberkommissar fest. »Wem darf man Glauben schenken?«
»Das herauszufinden ist unsere Aufgabe«, erwiderte Christoph.
»Sitzt ein kleiner Philosoph neben mir?«, lästerte GroÃe Jäger und legte den Zeigefinger auf die Lippen. Beide lauschten gespannt dem Knurren, das in GroÃe Jägers Schmerbauch einen gewaltigen Resonanzboden fand. »Du bist Erster Hauptkommissar. Und kommissarischer Dienststellenleiter. Also trägst du auch Verantwortung für das Wohlergehen deiner Ermittlungsknechte.
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