Das Dornenhaus
Männer.«
»Was meinst du damit, wenn man bereit dazu ist?«
»Wenn sich dein Geist und dein Herz anderen Ebenen öffnen, um andere Gedanken und Möglichkeiten aufzunehmen und zuzulassen.«
»Du willst mir doch nicht erzählen, dass sie Außerirdische sind oder irgendwelche höheren Wesen, die Magie auf mich ausüben.«
»O Odette, was soll ich nur mit dir machen, du zynische Journalistin!«, lachte Zac. »Nein, natürlich nicht. Obwohl viele Menschen glauben, dass Delphine ein größeres Gehirn besitzen als wir und daher auf einer höheren Intelligenzebene und mit einem erweiterten Bewusstsein leben. Nein, sie sind einfach nur wunderschöne und außergewöhnliche Wesen des Meeres, und du hattest ein außergewöhnliches und wunderschönes Erlebnis. Welche Auswirkungen das auf dein Leben hat, liegt ganz bei dir.«
Auf der Rückfahrt zum Tal in dem lauten, rumpelnden Jeep, in dem eine Unterhaltung schwer möglich war, blieb Odette schweigsam und nachdenklich. Es war ein bewegendes und freudiges Erlebnis gewesen und sonderbarerweise eines, das sie für sich behalten und über das sie nicht schreiben wollte. Vielleicht hatte sie sich verändert durch die Zeit, die sie hier verbracht hatte. Sie spürte, dass die Richtung und die Ziele ihres Lebens sich auf subtile Weise verschoben, und wenn das auch teilweise mit Zac zu tun hatte, so fühlte sie doch, dass sie an einem Scheideweg ihres Lebens angelangt war.
Ein paar Tage später, während sie einen unwilligen Tonklumpen auf der Drehscheibe zu bearbeiten versuchte, hielt Odette die Scheibe an, brach ein Stück Ton ab, bearbeitete es frei mit den Händen und brachte es mit raschen, geschickten, sicheren Bewegungen in eine einfache Form. Ruth Rawlings blieb neben ihr stehen. »Das ist ja zauberhaft, Odette.«
Odette schaute auf den perfekt geschwungenen Delphin hinab, der feuchte, schimmernde Ton ließ ihn aussehen, als sei er gerade aus dem Meer gesprungen. »Es ist einfach so passiert.«
»Ah ja, verstehe. Du warst neulich am Strand – hast du die Delphine gesehen?«
»Ja. Sind die immer da?«
»Immer, aber nicht jedes Mal zu sehen. Sie kommen, wenn man bereit dazu ist.«
»Das hat Zac auch gesagt. Es war seltsam, ich fühlte mich plötzlich ins Wasser gezogen oder gerufen. Ich bin keine begeisterte Schwimmerin, um die Wahrheit zu sagen. Meine Eltern sind ertrunken.«
Ruth legte Odette die Hand auf die Schulter und drückte sie mitfühlend. »Wie traurig. Das Meer kann herrlich sein, aber manchmal auch gefährlich. Wir hier betrachten es als einen Ort, an dem man ganz besondere Freunde finden kann. Du musst wieder kommen, wenn die Wale zum Kalben nach Norden ziehen. Allerdings ist es noch besser, wenn sie zurück nach Süden wandern, dann nehmen sie sich Zeit zum Spielen.«
»Wie schön. In Sydney scheinen wir nur Haie zu haben.«
Ruth lachte. »Und die nicht nur im Meer! Wo du jetzt bewiesen hast, wie geschickt du mit den Händen bist, Odette, wird es Zeit, dass du Brot backen lernst. Ich will gerade damit anfangen. Komm, ich zeig’s dir.«
Vorsichtig legte Odette ihren Delphin auf ein Bord zum Trocknen. »Brot! Das glauben die mir bei der
Gazette
nie!«
»Morgen Nacht haben wir Vollmond«, verkündete Zac, nachdem er den Mondkalender an der Toilettentür studiert hatte.
»Oh, gehen wir dann ins Freie und heulen, singen oder werden verrückt?«, erwiderte Odette lachend.
»Das kannst du alles machen, wenn du willst, aber wichtig ist, wohin wir gehen. Du wirst zu faul. Morgen Nacht besteigen wir den Mount Warning und sehen uns den Sonnenaufgang an.«
»Aber der ist so hoch. Und steil!«
»Und er ist es wert. Wir müssen um Mitternacht aufbrechen, damit wir gegen drei Uhr den Fuß des Berges erreichen. Er ist über neunhundert Meter hoch, und man braucht gut zwei Stunden oder länger, um hinaufzuklettern, je nachdem, wie schnell man geht«, sagte er mit einem spöttischen Grinsen.
»Ich werde dir direkt auf den Fersen bleiben, Zac, und wenn es mich umbringt.«
Odette hatte bald das Gefühl, dass dies tatsächlich der Fall sein würde. Sie waren bei Dunkelheit am Fuße des Berges angekommen, hatten den Jeep geparkt und den gewundenen Pfad eingeschlagen, der sich langsam aufwärts schlängelte. Die aufragende Bergspitze mit der seltsamen Kuppe sah gegen die mondhellen Himmel gewaltig und uneinnehmbar aus.
Zac, der einen kleinen Rucksack trug, ging voraus. Sie waren beide mit Taschenlampen bewaffnet, da das Blätterdach des Regenwalds rund um
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