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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Turney
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wollte.
    Nach unserem Besuch im Reisebüro fuhren wir aufs Land, bogen in einen Feldweg ein, hielten vor dem Tor zu einem brachliegenden Acker an und hatten atemlosen, vergnügten Sex. Wir taten es bei jeder sich uns bietenden Gelegenheit und scherzten darüber, dass der kleine Fiat bestimmt bald neue Stoßdämpfer benötigen würde.
    Ricky kam oft zum Tee zu uns nach Hause. Er bezauberte meine Eltern mit seinem Charme und langweilte sie vielleicht auch ein wenig mit seiner aufrichtigen Begeisterung für seine Arbeit und seinen detailreichen Schilderungen von Südamerika. Im Gegenzug war ich eines Sonntags bei Rickys Eltern zum Mittagessen eingeladen, und seine große, redegewandte Mutter und sein Vater, ein hohes Tier bei der Royal Air Force, beeindruckten mich und schüchterten mich ein. Nach dem mehrgängigen Mittagessen spielten wir mit Rickys jüngeren Geschwistern Monopoly, in einem Wohnzimmer von der Größe eines Tennisplatzes. Im Geiste hängte ich ein Hochzeitsfoto von mir und Ricky zwischen die vielen Familienporträts, die die Wände schmückten. Und jeden Freitagnachmittag begab ich mich zum Postamt, um meinen Wochenlohn auf mein Bankkonto einzuzahlen.
    Ich war so mit Ricky und meinem neu gefundenen Glück beschäftigt, dass neben meiner Arbeit keine Zeit mehr für Ellen blieb. Tante Karla war noch immer in Thornfield House und sah nach dem Rechten. Ich beruhigte mein schlechtes Gewissen darüber, dass ich meine Freundin vernachlässigte, indem ich mir sagte, dass es keinen Grund zur Sorge gab, solange Karla da war und Peter Brecht im Auge behielt. Jago machte so viele Überstunden wie möglich, um ebenfalls Geld zu sparen, vor allem jetzt, da er bald eine Familie zu ernähren hatte. Deswegen hatte auch er wenig Zeit, sich mit Ellen zu treffen. Und so kam es, dass sie eine Zeit lang auf sich gestellt war.
    Zwei Mal kam sie zu mir nach Hause, aber beide Male war ich ausgegangen. Wenn ich damals bloß für sie da gewesen wäre … Wenn ich wachsamer gewesen wäre … Aber ich kümmerte mich nicht um sie. Und bemerkte nichts.
    Der Morgen, als das Unglück seinen Lauf nahm, begann vielversprechend. Ich war allein zu Hause, frühstückte Toast mit Honig und hörte Radio. Das Kommen des Briefträgers veranlasste Trixie wie immer zu wütendem Gebell. Als ich die Haustür öffnete, lag auf der Fußmatte mit der Aufschrift »Willkommen« ein blauer Luftpostbrief. Überrascht sah ich Trixie an, die hechelnd zurückzugrinsen schien. Ich hob den Brief auf und rannte damit in mein Zimmer. Trixie folgte mir auf den Fersen. Ich machte die Tür hinter uns zu, setzte mich mit dem Rücken zur Wand auf den Boden und hielt den Brief an die Brust. Mein Herz schlug mir bis zum Hals.
    Dann ritzte ich das Kuvert mit dem Daumennagel auf, entfaltete das Blatt und las. Das Schreiben war kurz und sachlich. Bei der Ausgrabung gab es eine freie Volontärsstelle, und man freue sich, wenn ich zu dem Team stoßen wolle.
    »Sie nehmen mich. Sie nehmen mich!«, rief ich.
    Als ich mich neben Trixie kniete und ihren Kopf mit Küssen bedeckte, wedelte sie mit ihrem Stummelschwanz.
    Ich las den Brief an die zwanzig Mal, bis ich ihn auswendig kannte, dann faltete ich ihn sorgfältig zusammen, steckte ihn in die Tasche meiner Shorts und ging wieder hinunter. Nun würde sich auch in meinem Leben mal etwas Außergewöhnliches ereignen. Endlich konnte ich Ellen auch mal aufregende Neuigkeiten erzählen! Zuerst auf dem einen Bein balancierend, dann auf dem anderen, zog ich eilig meine Schuhe an, holte das Fahrrad aus dem Schuppen und strampelte im getupften Schatten der Baumkronen den Hügel hinauf. Die Aufregung verlieh mir Kraft in den Beinen. Mit den Händen stemmte ich mich auf den Lenker und trat im Stehen in die Pedale. Ich wusste, meine Tage hier waren gezählt. Nicht mehr lange würde ich das Rauschen des Baches hören, Wildblumen an den Hecken pflücken und zusehen, wie die preisgekrönten Kühe der Williams mit ihrem sanftmütigen Wesen von der Weide zu den Melkständen trotteten und die Straße mit Kuhfladen übersäten.
    Als ich in Thornfield House ankam, lehnte ich das Fahrrad an die Mauer und hüpfte beschwingt zur Haustür. Ich klingelte und wartete darauf, dass Tante Karla aufmachte. Ich brannte darauf, Ellen zu sehen, ihr die Neuigkeit zu erzählen, doch stattdessen öffnete Mrs   Todd die Tür. Ein Blick in ihr Gesicht genügte mir, um zu wissen, dass etwas passiert war. Aber es war nicht nur ihre Miene, auch das Innere des

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