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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Turney
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ist dann passiert?«, fragte ich. Unwillkürlich hatte ich die Stimme zu einem Flüstern gesenkt.
    »Papa hat das Licht ausgemacht. Nur noch eine Kerze brannte auf dem Nachttisch. Wir haben auf dem Bett gesessen.«
    Mir lief es kalt den Rücken hinunter.
    »Wir haben unsere Finger an das Glas gelegt, und Papa hat Mama gerufen.« Ellen sprach jetzt mit sanfter Stimme.
    »Und, ist sie gekommen?«
    Ellen zog ihren Mantel enger um sich.
    »Ellen?«
    »Jedenfalls war da etwas. Das Glas auf dem Brett hat sich bewegt, ganz von allein, nicht langsam, sondern sehr schnell.« Sie fuhr mit der Hand durch die Luft. »Gleichzeitig hat die Kerze geflackert, und ein merkwürdiger Geruch hing in der Luft.«
    »Was für ein Geruch?«
    »Ein blumiger Duft wie Lavendel.«
    »O mein Gott.«
    »Papa hat den Geist aufgefordert zu beweisen, dass er Mamas Geist ist.«
    Mein Herz schlug so schnell, dass ich den Pulsschlag am Hals spürte. Unsere Gesichter waren sich jetzt verschwörerisch nah, sodass ich den Minzegeruch von Ellens Kaugummi riechen konnte.
    »Und dann hat sich das Glas erneut bewegt, wieder ganz von allein – und die Kerze ist ausgegangen! Ein mattes Leuchten schwebte wie eine Wolke über dem Bett. Es hatte die Umrisse eines Menschen, ich meinte sogar, ein Gesicht und Arme zu erkennen, aber ich bin mir nicht sicher. Während auf dem Ouija-Brett die Buchstaben markiert wurden, veränderte es seine Gestalt.«
    »Was hat der Geist gesagt?«, fragte ich.
    »Zuerst hat sich das Glas zu dem Buchstaben T bewegt, dann zum R …«
    »Tr? Was soll das bedeuten?«
    »Warte, es kommen noch mehr! Das O, zwei Mal das T, dann das E und das L.«
    Ellen seufzte. Dann lehnte sie sich wieder auf der Bank zurück und sah mich mit großen unschuldigen Augen an.
    »Ellen?« Ich war verwirrt. »Was hat der Geist gesagt?«
    »Er hat TROTTEL gesagt! TROTTEL !«
    »Warum denn das?«
    »Oh, was bist du manchmal für ein Dummerchen, Hannah!«, sagte Ellen. Sie stand auf, hüpfte über die Weide und rief lachend: » TROTTEL ! TROTTEL ! TROTTEL !«, sodass die Vögel aufflogen, die im Gras nach Nahrung gepickt hatten.
    »Ellen!«, rief ich. Ich schnappte nicht nur meine Tasche, sondern auch ihre, die sie liegen gelassen hatte. Ich war furchtbar wütend auf sie. »Ellen!«, rief ich erneut und rannte hinter ihr her. »Ellen Brecht, ich hasse dich!«
    Ellen drehte sich um. »Es gibt keine Geister«, rief sie, »und keine Gespenster! Wenn man tot ist, dann ist man tot, fertig, aus, Amen!« Wieder lachte sie und rannte ein Stück weiter.
    Das war mal wieder typisch Ellen.
    Aber nicht alle ihre Geschichten waren erfunden.
    Eines Abends, als wir mit Mrs   Todd Rommé im hinteren Wohnzimmer spielten, hob Mr   Brecht, der in seinem Sessel eingeschlafen war, plötzlich ruckartig den Kopf. Er schaute in unsere Richtung, aber sein Blick ging ins Leere.
    »Sie hat dich nie geliebt, musst du wissen«, sagte er zu Ellen. Ellen biss sich auf die Lippe, nahm die Karo-Dame auf und legte die Kreuz-Zwei ab. Mrs   Todd hob die oberste Karte vom Stapel und legte das Pik-Ass ab. Mr   Brecht deutete mit dem Finger auf Ellen. »Sie gab dir die Schuld. Du hast deine Mutter umgebracht.«
    »Du bist dran, Hannah«, sagte Mrs   Todd. Ich hatte zwei Pik in der Hand, fürchtete aber, dass die Situation eskalieren könnte, wenn ich jetzt das Spiel beendete. Also hob ich stattdessen die oberste Karte vom Stapel und legte Herz-Ass ab.
    »Sie hat immer gesagt …«
    Mrs   Todd fiel ihm ins Wort. »Es reicht jetzt, Peter.« Sie schob ihren Stuhl zurück.
    »Sie hat immer gesagt …«, sagte er erneut, lauter diesmal, wobei er noch immer mit dem ausgestreckten Finger auf Ellen deutete, »es wäre besser gewesen, dich bei deiner Geburt zu ertränken.«
    »Geht hinauf, Mädchen«, sagte Mrs   Todd leise. »Er weiß nicht, was er sagt.«
    Später brachte Mrs   Todd ein Tablett mit zwei Bechern heiße Malzmilch und einem Teller Plätzchen in Ellens Zimmer. Sie stellte es auf den Frisiertisch, ehe sie zu Ellen trat, ihr die Hand auf die Schulter legte und sagte: »Dein Vater hat zu viel getrunken. Du weißt ja, dass er dann dummes Zeug redet. Aber er meint es nicht so.«
    Ellen zuckte mit der Schulter, um Mrs   Todds Hand abzuschütteln. »Ist mir egal.«
    »Deine Mutter hat dich geliebt«, sagte Mrs   Todd, »das weißt du doch, Ellen.«
    »Es ist mir egal, hab ich gesagt!«
    Immer mal wieder kam es zu einer dieser schrecklichen Szenen in Thornfield House, aber trotz allem fand

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