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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Turney
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jemand widerrechtlich in sein Haus eingedrungen war. Und so erntete er ein erstaunliches Maß an Zustimmung unter den Dorfbewohnern. Die Leute hatten die Nase voll von der zunehmenden Kriminalität. Sie sagten, es sei gut, dass sich endlich jemand ein Herz gefasst und sein Eigentum verteidigt habe. Adam sagte kein Wort zu seiner Verteidigung, und nun, da die Brechts und Mrs   Todd abgereist waren, gebe es niemanden mehr, der den genauen Tathergang hätte bezeugen können, meinte Mum.
    »Die Sache geht uns nichts an, Malcolm«, sagte Mum zu Dad. »Ich will nicht noch weiter da hineingezogen werden.«
    Dad nickte und sagte zu Jago, er solle aufhören, seine Mutter zu bedrängen.
    Niemand wusste etwas über den Verbleib der Brechts und Mrs   Todds. Sie waren wie vom Erdboden verschluckt. Jago war völlig außer sich vor Sorge um Ellen; nicht zu wissen, wo sie war, trieb ihn beinah in den Wahnsinn. Oft saß ich bei ihm, hörte mir seine Mutmaßungen an und versuchte, ihn zu beruhigen, aber ich war selbst krank vor Sorge. Ich hatte keinen Appetit und konnte nicht schlafen.
    »Ellen ist viel stärker, als du denkst«, sagte ich zu Jago. »Sie wird bestimmt damit fertig.«
    »Und was, wenn ihr bekloppter Vater völlig ausgeflippt ist?«, fragte Jago. »Was, wenn er erst Ellen und Mrs   Todd und dann sich selbst umgebracht hat?«
    »Das würde er nie tun! Er liebt Ellen! Außerdem ist er nicht geisteskrank. Sie hat sich vieles auch einfach nur ausgedacht.«
    Jago sah mich entgeistert an. »Hannah, er hat beinahe jemanden getötet!«
    »Ja, aber jemanden, der in sein Haus eingebrochen ist und versucht hat, das Tagebuch seiner Frau zu stehlen.«
    Doch nachdem ich den Gedanken, dass sich Mr   Brecht umgebracht haben könnte, einmal im Kopf hatte, wurde ich ihn nicht mehr los. Meine Angst wuchs von Tag zu Tag, bis ich schließlich genauso beunruhigt über das spurlose Verschwinden der Brechts war wie Jago. Schließlich beschlossen wir, uns gemeinsam nach Thornfield House zu begeben und nach einem Hinweis zu suchen, wo sie sein könnten oder was Mr   Brecht getan haben könnte.
    Als unsere Eltern eines Abends ausgingen, bot sich die Gelegenheit dazu. Wir gingen zusammen die Straße hinauf, und auch wenn mir davor graute, dieses große, bedrohliche Haus zu betreten, war ich froh, endlich wieder etwas mit Jago unternehmen zu können – nur er und ich allein, so wie früher. Das Haus lag in völliger Dunkelheit. Kein Laut war zu hören, nichts rührte sich. Während Jago zu Ellens Fenster hochstieg, wie er es viele Male zuvor getan hatte, hielt ich am Tor Wache. Das Fenster war zwar heruntergeschoben, aber nicht verschlossen. Jago gelang es, den unteren Teil zu öffnen. Er kletterte ins Zimmer, lief die Treppe hinunter, öffnete die Haustür und ließ mich herein. Wir machten die Tür zu, ohne abzuschließen.
    »Erinnerst du dich daran, als wir das erste Mal hier waren?«, fragte Jago flüsternd.
    »Du meinst, als die Hexe noch lebte?«
    »Nein, das erste Mal, als wir das Haus betreten haben, an dem Tag, als die Brechts eingezogen sind.«
    Ich nickte.
    »Ich glaube, ich habe mich schon an dem Tag in Ellen verliebt«, sagte er.
    »Bestimmt nicht. Damals waren wir ja noch Kinder. Du hast Ellen anfangs gar nicht leiden können.«
    »O doch! Ich habe immerzu an sie gedacht.«
    »Pst …« Ich legte den Zeigefinger an die Lippen. »Was war das?«
    »Nichts. Sei nicht so ein Angsthase.«
    »Doch, oben ist jemand!«
    »Nein, das kann nicht sein.«
    Ich lauschte angespannt.
    »Nun komm schon«, sagte Jago. Er ging zur Tür des Salons, legte die Hand auf die Klinke und wollte sie öffnen.
    »Nein!«, sagte ich, weil ich an die Blutlache denken musste, von der Mum erzählt hatte. »Geh nicht da hinein, Jago!«
    Jago ließ die Hand wieder sinken.
    »Am besten, wir suchen getrennt, dann sind wir schneller fertig.«
    »Ich werde hier bestimmt nicht allein ein Zimmer betreten.«
    »Na gut«, sagte Jago. »Dann bleiben wir eben zusammen.«
    Wir hofften, irgendwo einen Zettel mit einer Adresse darauf zu finden, an die die Post nachgeschickt werden sollte, oder einen Gepäckaufkleber, irgendetwas in der Art. Zunächst durchsuchten wir sämtlich Räume im Erdgeschoss, abgesehen vom Salon. Wir sahen auf allen Tischen und Ablageflächen nach, in allen Schubladen und Schränken, die nicht abgeschlossen waren, ohne auch nur die kleinste Spur zu finden. Alle Zimmer waren wie immer makellos sauber. Nichts ließ erahnen, dass in diesem Haus beinahe

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