Das Drachenkind (Die Drachenschwestern Trilogie) (German Edition)
Mitbewohner so einen Aufstand gemacht hatten.
Sie wunderte sich immer noch darüber. Maxi ließ sie doch eigentlich
größtenteils ihre Entscheidungen selber treffen. Nicht so wie Lance, der auch
heute noch manchmal seine schwachen fünf Minuten hatte, wo er meinte, Kajas
Leben managen zu müssen. Und Adrians Verhalten war dermaßen untypisch, dass sie
beinahe auf ihn gehört hätte. Egal. Die beiden würden sich schon wieder
beruhigen. Sie stieg aus und schloss ihr Auto ab.
„Hallo
Miri.“
Erschrocken
sprang sie zur Seite. Ihr Onkel. Er sah noch schlechter aus als bei ihrer
letzten Begegnung. Trotz der lauen Frühlingsluft trug er einen dunklen Mantel
und einen Hut. Seine Augen blickten hektisch umher.
„Jetzt
hast du mich aber erschreckt! Hallo Onkel Paul.“
Sein
Blick huschte kurz zu ihr und wieder weg, als könnte er es nicht aushalten, ihr
in die Augen zu sehen. Auch gut, dachte sie. Er hat nach wie vor einen irren
Ausdruck in den Augen. Sie unterdrückte ihr aufsteigendes Unbehagen und bemühte
sich um einen unverfänglichen Ton, als sie die Konversation fortsetzte.
„Konnte
Tante Greta nicht kommen?“
Er
sagte immer noch nichts. Irritiert berührte sie ihn am Arm.
„Ich
dachte, wir wollen etwas trinken gehen und reden?“
Er
zog den Arm zurück, als hätte ihn ihre Berührung verbrannt. „Wie, ach ja.
Stimmt.“
„Gibt
es hier ein Café?“
„Bestimmt“,
antwortete er vage. „Aber lass uns doch erst auf die Plattform gehen und den
Rheinfall anschauen. Im Frühling ist er meist besonders beeindruckend mit all
den Regenfällen und dem Schmelzwasser.“
Sie
schaute ihn von der Seite an. Seit wann war ihr Onkel so interessiert an der
Natur? Sie beschloss, ihm den Gefallen zu tun. Der Rheinfall war zu jeder
Jahreszeit beeindruckend und sie hatte ihn tatsächlich schon viel zu lange
nicht mehr live erlebt. So folgte sie ihrem Onkel, der zielstrebig auf das
Billett-Häuschen zuhielt.
„Zwei
Personen“, herrschte er den Mann am Verkaufsschalter an und knallte das Geld abgezählt
auf den Tresen.
Der
wollte sich gegen den unangemessenen Ton wehren, besann sich dann aber eines
Besseren, als er in die Augen des Besuchers blickte. Wortlos reichte er ihm
zwei Eintrittskarten. Onkel Paul griff sich Miris Arm und begann, sie hinter
sich herzuziehen. Das ging Miri nun doch zu weit. Weil sie eine Szene vor dem
sowieso schon geschockten Ticketverkäufer vermeiden wollte, hielt sie ihren
aufkeimenden Ärger im Schach und warf dem armen Mann ein entschuldigendes
Lächeln zu. Sie hatten den engen Gang schon fast hinter sich, als sie ihren Arm
losriss, sich an ihm vorbei drängte und ihrem Onkel ins Gesicht sah.
„Schubs
mich nicht herum. Wenn du Frieden schließen willst, dann benimm dich gefälligst
entsprechend!“
Mit
diesen Worten drehte sie sich um und stürmte auf die leere Plattform.
In
ihm kochte Wut hoch. Was erlaubte sich diese Hexe eigentlich. So mit ihm zu
sprechen! Aber das würde jetzt dann gleich ein für alle Mal vorbei sein. Dafür
würde er schon sorgen!
Miri
lehnte vornüber gebeugt am Geländer und starrte ins strudelnde Wasser. Das
hätte sie sich wirklich sparen können. Keine zwei Minuten und sie stritten sich
bereits. Und reden wollte er offensichtlich auch nicht. Keine Ahnung, was er
wollte. Sie hielt eine Hand in den Sprühnebel. Das Wasser stürzte mit
ohrenbetäubender Lautstärke über die Felsen. Deshalb hörte sie nicht, wie sich
ihr Onkel ihr von hinten näherte. Erst im letzten Moment nahm sie eine Bewegung
hinter sich war. Dann passierte alles gleichzeitig.
Maxi
tauchte in einem violett funkelnden Wirbel auf und schrie: „Pass auf!“
Bevor
sie sich einen Reim darauf machen konnte, was die Drachin hier zu suchen hatte,
verspürte sie einen heftigen Schlag im Genick. Sie duckte sich und hielt sich
instinktiv an der Reling fest. Trotzdem verlor sie das Gleichgewicht und
stürzte Kopf voran über das Geländer. Kurz bevor ihr Hirn explodierte, als ihre
Stirn mit der Plattform kollidierte, bekam sie das Geländer zu fassen und
klammerte sich daran fest. Ihr letzter Gedanke war, das ist der falsche
Zeitpunkt . Dann nichts mehr.
„Halt
durch!“, brüllte sie jemand an.
Benommen
öffnete sie die Augen und hoffte, aus einem bösen Traum aufzuwachen. Leider war
das nicht der Fall. Noch immer befand sie sich über dem tosenden Wasser des
Rheinfalls. Immerhin. Losgelassen hatte sie offensichtlich nicht. Aber lange
würde sie das nicht mehr durchhalten können. Rasende
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