Das Drachenkind (Die Drachenschwestern Trilogie) (German Edition)
Wasser zu nehmen. In letzter Zeit entwickelte sie immer
öfter brennenden Durst, wie ein Kamel nach einer Wüstenwanderung. Ungeduldig
leerte sie den letzten Rest auch noch. Sie fügte die gehackten Dosentomaten dem
Gemüse und dem Fleisch hinzu, füllte das Ganze mit Gemüsebrühe auf und drehte
die Temperatur runter. Die nächsten zwei Stunden konnte sie die Sauce sich
selbst überlassen. Während dessen erzählte sie Kaja die Ereignisse des heutigen
Tages.
„Du
siehst also, mir reicht ein halber Tag, um meinen Onkel gründlich vor den Kopf
zu stoßen, in der Folge meinen Job und gleichzeitig den Rest meiner
kümmerlichen Familie zu verlieren.“ Sie setzte sich zu Kaja an den Küchentisch
und stützte den Kopf in die Hände. Als Kaja nichts sagte, schielte sie zu ihr
hinüber. „Kein Kommentar?“
Ihre
Freundin hob ein wenig hilflos die Hände. „Ich muss zugeben, ich bin sprachlos.
Ich wusste ja schon von deinen Erzählungen, dass bei euch in deiner Familie
nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen ablief. Aber das, was du heute alles
erleben musstest, passt auf keine Kuhhaut.“
„Das
kannst du wohl laut sagen.“ Miri seufzte.
„Hast
du denn schon einen Plan?“, fragte Kaja vorsichtig.
„Nein.
Das wenige, was ich mir zurechtgelegt hatte über das letzte Wochenende, ist ja
bereits wieder über den Haufen geworfen geworden.“
„Was
war denn der Plan bis zum großen Realitätscrash?“
Miri
kratzte gedankenverloren an einer der abgeschlagenen Kanten des alten Tisches
rum. „Keine Ahnung. Vielleicht…“, sie zögerte, als würde sie sich nicht trauen
fortzufahren. Kaja langte über den Tisch und drückte ermutigend ihre Hand. Miri
blickte auf und sah sie direkt an. „Na ja, ich dachte, vielleicht, nur
vielleicht wäre es doch zu schaffen. Das mit dem Kind. Mit eurer Hilfe und
Maxi, die ja nun wieder da ist. Und es ist ja nicht so, dass ich arbeitslos
bin. Zumindest war das die Situation bis heute Morgen. Aber eben, wie heißt es
so schön? So wie man plant und denkt…“
„…so
kommt es nie“, ertönte Maxis Stimme melodiös vom Türrahmen her. Verdutzt
blickten beide Frauen erst den Drachen und dann einander an.
„Sieh
an, wer hätte gedacht, dass so mittelalterliche Wesen wie Drachen moderne
Musicaltexte intus haben“, grinste Miri. „Ich habe den Verdacht, das ‚Phantom
der Oper’ war eigentlich ein Drache der Oper, wenn ich mir das so überlege“,
witzelte sie.
„Von
welchem Musical ist das denn?“, wollte Kaja wissen, der der Text zwar bekannt
vorkam, die ihn aber nicht einordnen konnte.
„Von Elizabeth , einem Musical über die gleichnamige Kaiserin von Österreich.“
„Sprichst
du von Sissi ?“
„Im
Grunde schon. Nur zeichnet diese Aufführung ein sehr viel realistischeres Bild
von der Kaiserin als die schmalzigen Sissi-Filme.“
„Lohnt
es sich, das anzuschauen?“
Miri
lachte. „Auf jeden Fall. Aber ich würde es mir aufsparen, bis du einmal in Wien
bist. Akustik und Dekor der Bühne in Wien sind nicht zu vergleichen mit denen
in Zürich. Zumal es hier bestimmt nicht im Opernhaus aufgeführt wird. Aber ich
hoffe, du weißt, dass du dich gerade mit einem Musicalfan unterhältst. Ich kann
nicht beurteilen, ob es dir gefällt.“
„Hm,
das weiß ich auch nicht, aber ausprobieren werde ich es auf jeden Fall.“
„Das
ist ja alles schön und gut, aber habt ihr nicht wichtigeres zu besprechen?“,
mischte sich Maxi ein, die versuchte sich unauffällig in die Nähe des
Saucentopfs zu begeben. Was ziemlich ein hoffnungsloses Unterfangen war für
einen Drachen in Maxis Größe. Die Küche war sowieso schon sehr überfüllt, so zu
dritt, Zorro nicht zu vergessen, der unter dem Küchentisch sein Schläfchen
hielt.
Miri
zog warnend eine Augenbraue hoch und gab ihrem Drachen mit der Kelle, die neben
ihr auf dem Tisch lag, einen spielerischen Klaps auf die Pranken. „Pfoten weg.“
„Aber
das riecht so gut“, jammerte Maxi.
„Ja,
das weiß ich. Es wird aber noch viel besser, wenn es fertig ist.“ Maxi wirkte
nicht restlos überzeugt, zog sich aber neben die Spüle zurück. Sie schrumpfte
so weit, dass sie sich nicht den Kopf an der Küchenzeile anstieß.
„Maxi
hat recht. Eigentlich waren wir gerade dabei, über deine Möglichkeiten zu
reden.“
„Du
meinst wohl, über die nicht vorhandenen Möglichkeiten.“
„Auf
die Gefahr hin, sehr abgedroschen zu klingen“, ließ sich Maxi von ihrem
erhöhten Sitzplatz vernehmen.
„Nur
zu, das wird dich wohl nicht
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