Das Drachenkind (Die Drachenschwestern Trilogie) (German Edition)
Solange sie sich nicht viel
bewegte, war es nicht so schlimm. Alles andere war momentan eine schlechte
Idee. „Ab ins Badezimmer mit dir!“, befahl ihre Freundin mitleidlos. „Entweder
das oder die Klinik.“
„Ich
sag ja gar nichts“, jammerte Miri.
Auf
dem Sofa startete auf der Stelle eine hitzige Diskussion.
„Ich
dachte, du wolltest auf sie aufpassen!“, empörte sich Chili. „Das war sozusagen
der einzige Grund, der dir eine Aufenthaltsbewilligung in meinem Reich
verschafft hat.“
Maxi
nahm ihre normale Wohnungsgröße ein und reichte somit wieder bis an die Decke.
Wäre ja noch schöner, wenn sie sich von diesem unbedeutenden Fellknäuel
beschimpfen ließe. „Sie ist wieder hier, oder etwas nicht!“, zischte sie und
ließ ihre scharfen Zähne sehen.
Unbeeindruckt
fletschte Chili seinerseits die Zähne und knurrte: „Zurück ist sie schon. Nur
in welchem Zustand! Das hätte ich mir ja denken können. Glitzernde Verpackung
und nichts dahinter. Pah!“ Demonstrativ wandte er sich ab.
Bei
diesen vernichtenden Worten schien die Drachin der Kampfgeist zu verlassen. Sie
schrumpfte in sich zusammen und ließ ihre Ohren, die Schultern und die Flügel
hängen. Selbst der Glanz ihrer Schuppen wurde weniger, bis sie richtig stumpf
aussahen.
Chili
beäugte sie misstrauisch. Er vermutete einen neuen Trick. Als er sah, dass sich
Maxis große Drachenaugen mit Tränen füllten, verdrehte er die Augen. „Also
bitte. Das war ja klar. Weinen macht bestimmt alles wieder gut.“
Der
Kater hatte keine Geduld für große theatralische Gesten. Außer seinen eigenen
natürlich. Maxi drehte den Kopf zur Seite und wischte sich unauffällig mit
ihrer Pranke über die Augen. So unauffällig das als Drache eben ging. Da konnte
sie auch nichts dafür, dass die Bewegung ausreichte, um mit der Flügelspitze
den Kater vom Sofa zu wischen. Der rappelte sich auf, bereit zum Angriff auf
diese Dramaqueen. In dem Moment kehrten die beiden Frauen ins Wohnzimmer
zurück. Miri sah um Welten besser aus. Sie hatte sich umgezogen. Kaja hatte
vorsichtig die Wunde gesäubert und das Gesicht von eingetrocknetem Blut
befreit. Das gestauchte Handgelenk war in Arnikagel ertränkt und mit einem
festen Verband versehen worden. Sie hatten in den Tiefen von Miris Arzneischublade
zwischen abgelaufenem Hustensaft und uralten Verbänden sogar noch einige
Schmetterlingspflaster gefunden. Die hielten jetzt die Wundränder des Schnitts
zusammen. Gegen die bläuliche Verfärbung, die sich über die ganze rechte
Gesichtshälfte zog, ließ sich allerdings nichts machen. Das würde in den
nächsten Tagen erst mal schlimmer werden. Auf einen Blick erfasste sie die
Situation im Wohnzimmer.
„Hört
auf, ihr beiden. Niemand von euch ist schuld. Schuld ist nur mein Onkel.“ Ihre
Gesichtszüge verfinsterten sich beim letzten Satz. „Ihr helft mir am meisten,
wenn ihr euch jetzt vertragt. Wir ziehen nämlich heute noch um. Wir packen nur
das Nötigste und gehen zu Kaja. Wie es dann weiter geht, werden wir dann sehen.
Chili packte das kalte Grauen. Umziehen? Und wer hielt dann die Mäusepopulation
in Zürich in Schach? Überhaupt, was würde dann aus seinem Revier? Auf dem Bauch
rückwärts robbend wollte er sich aus dem Zimmer schleichen.
„Du
lässt sie wohl jetzt nicht in Stich, oder?“, zischte Maxi ihm herausfordernd
zu. Der Kater legte die Ohren flach an den Kopf und fauchte, hörte dann aber
auf mit dem Wegschleichen und begann sich zu putzen. Wenn man als Katze nicht
weiter wusste, war Fellpflege immer die Aktivität erster Wahl.
„Was
starrt ihr den armen Kater so an?“ Simon trat mit einem Tablett ins Wohnzimmer
und stellte es auf dem Wohnzimmertisch ab. Er schien sich in der Zwischenzeit
wieder gefasst zu haben. Von seiner vorigen Aufregung war ihm nichts mehr
anzumerken. „Bedient euch!“
„Wir
hatten gerade darüber gesprochen, dass ich zu Kaja ziehen werde. Zumindest
vorübergehend.“ Maxi nickte eifrig, um ihre Zustimmung auszudrücken. Miri griff
nach ihrem Tee, während Kaja die Vorkommnisse der letzten paar Wochen
zusammenfasste und auch die Drohbriefe erwähnte.
Als
sie geendet hatte, meinte Simon: „Das klingt nach einem guten Plan. Nachdem Tim
momentan ja in Peking weilt, habt ihr auch genug Platz, oder?“
„Genau.
Zudem setze ich große Hoffnung in das Pächterhäuschen, das sich gleich neben
Kajas Haus befindet“, ergänzte Miri.
„Kann
ich die Drohbriefe einmal sehen?“, erkundigte sich Simon.
„Ich
hole sie dir.
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