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Das Drachentor ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)

Das Drachentor ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)

Titel: Das Drachentor ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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des Grafen?«
    Der Diener gab keine Antwort. Entweder konnte er nicht sprechen oder der Graf hatte es verboten. Sie strich an menschengroßen Bildern in vergoldeten Rahmen vorbei: Ahnen, stumm aneinandergereiht mit ernsten Mienen und in aufwändigem Putz. Die Herren in Reithosen und Stiefeln oder in langen Gewändern, die Damen in ausladenden, mit Rüschen besetzten Kleidern. Tonya blieb vor dem Bildnis einer jungen Frau stehen. Sie trug ein schlichtes weißes Seidenkleid mit Schleppe. Ihr Haar wallte in schwarzen Locken über den Rücken. Sie trug einen Kranz mit weißen Lilien im Haar. Welch seltsame Wahl für einen Brautkranz, und das sollte er ja wohl sein, oder nicht? Tonya sah in ihr Gesicht. Die schwarzen Augen blickten hart und boshaft auf sie herab. Die Eckzähne waren ein wenig zu spitz für eine gewöhnliche junge Dame. Wenn es nicht nur ein Bild wäre, würde Tonya fast glauben können, diese Augen würden sie wirklich sehen und jeder ihrer Bewegungen folgen. Tonya beeilte sich, den Diener wieder einzuholen, der ihr voller Ungeduld winkte. Sie konnte die Augen in ihrem Rücken spüren! – Nein, das war nicht möglich. Sie durfte sich von der Atmosphäre des Schlosses nicht einschüchtern lassen. Sie trug die Gabe in sich und musste sich nicht fürchten! Tonya trat wie unabsichtlich näher an den Diener heran. Seine Augen weiteten sich, und er machte einen Satz zur Seite.
    Gut, mit den untoten Wesen, mit denen sich der Graf umgab, würde sie keine Schwierigkeiten bekommen. Ihr Herzschlag beruhigte sich. An den Hausherrn selbst dachte sie lieber nicht. Besser, sie sah sich ihr Gemach an und zog sich für das Abendessen um. Der Diener ließ Tonya eintreten, verbeugte sich noch einmal und schloss dann die Tür. Tonya fühlte sich ein wenig unwohl in dieser üppigen Pracht. Sie war an ihre einfache Zelle im Kloster gewöhnt und nicht an überladene Himmelbetten, vergoldete Schnitzereien und schwere Vorhänge. Im Zimmer nebenan fand sie eine ganze Reihe Kleider mit tiefen Ausschnitten, Spitzen und Borten, deren verzierte Stofffülle über einem Reifrock getragen werden musste. Dagegen wirkten die ihr so prächtig erschienenen Gewänder aus ihrer Reisetruhe fast ärmlich. Sollte sie eines dieser Kleider nehmen oder doch das, was Mutter Morad für sie bestimmt hatte? Was um alles in der Welt war passend, um mit einem Vampirgraf zu speisen? Darauf hatte sie niemand vorbereitet!
    *
    Ramon lud die Truhe von der Kutsche ab und ging damit auf einen der Diener zu.
    »Zeigst du mir das Zimmer der Herrin? Dann bringe ich ihre Sachen hinauf«, bat er freundlich. Der Mann starrte ihn nur an und entriss ihm die Kleidertruhe. Ohne ein Wort zu sagen, stapfte er davon. Ramon sah ihm kopfschüttelnd nach. Dann würde er eben die Pferde in den Stall bringen. Er ging in den Hof zurück, fand aber weder die Kutsche noch die Pferde vor. Und auch Astorins unheimliches Ross war nirgends zu entdecken. Seltsam. Wie hatten die Bediensteten des Grafen sie so schnell wegbringen können? Ramon umrundete den Hof, bis er ein Pferd schnauben hörte. Er schob eine Tür auf und fand sich in einem geräumigen Stall wieder, in dem nicht nur die Kutschpferde und der Rappe standen. Es gab noch zwei weitere, sehr edle Reitpferde und ein Vierergespann, das vermutlich die Kutsche zog, die er auf der anderen Seite eines doppelten Bogens neben dem Gefährt stehen sah, in dem sie angekommen waren. Die Pferde waren abgerieben und gestriegelt worden und kauten nun an frischem Heu. Wann war das geschehen? Er war doch kaum ein paar Augenblicke in der Halle gewesen! Ramon trat zu einem seiner Kutschpferde und streichelte ihm den Hals. Das Pferd rollte mit den Augen und zog an seinem Halfter, das mit einer verlängerten Leine an einen Eisenring gebunden war.
    »Wohin hat die Mutter Oberin uns nur geschickt? Hier stimmt etwas ganz und gar nicht«, flüsterte Ramon dem Pferd ins Ohr, das genauso nervös war wie er selbst. Es wieherte und stampfte mit den Hinterhufen auf den harten Boden. Ramons Hand strich ihm beruhigend über die Stirn.
    »Nicht wahr, du kannst es auch spüren? Es ist, als ob gleich etwas Schreckliches über uns hereinbricht.«
    »Welch sensibler Sinn hinter diesem einfachen Äußeren«, sagte eine samtweiche Stimme hinter ihm. »Guter Mann, du hast ganz Recht.«
    Ramon fuhr herum und krallte seine Finger in die Mähne des Pferdes, das ängstlich schnaubend zurückwich, bis der Strick sich straffte.
    Der Graf kam langsam näher. Kein Strohhalm

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