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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Höhlenkinder«, sagte Alasar. Noch immer saß er in der Hocke vor dem Gitterwagen, als beobachte er ein seltenes, gefährliches Tier.
    »Höhlenkinder?« Revyn begriff nicht. »Alasar - so heißt du doch!«
    Alasar zögerte. »Und?«
    Revyn starrte ihn an. Er dachte wieder an die Worte Octaris’. Der König musste gewusst haben, dass Revyn hierher entführt werden würde! Wieso hatte er ihn nicht gewarnt?
    »Was willst du von mir?«, sagte Revyn fest. »Was hat Octaris dir erzählt?«
    »Wer ist Octaris?« Alasar stand auf. »Ich mag es nicht, wenn man mir dumme Fragen stellt. Du bist hier, um mir zu verraten, wie man Drachen gefügig macht. Du wirst mir eine Streitmacht zusammenstellen. Du wirst die Drachen für meine Krieger zähmen und mir erklären, wie man sie reitet und fliegt.«
    »Du willst Drachen für den Krieg gegen Haradon ?«
    »Einfältiger Krieger … Für dich gibt es nur Myrdhaner und Haradonen, nicht wahr? Wir haben mit dem Krieg gegen Haradon nichts zu schaffen, wir beschmutzen unsere Hände nicht mit dem Blut, das für Fremde vergossen wird.«
    Revyn schluckte schwer. »Ihr habt den Falschen. Ich bin kein Drachenfänger.«
    »Du warst bei den gefangenen Drachen und hast ihre Käfige bewacht.«
    Revyn schüttelte den Kopf. »Du irrst dich.«
    Alasar lächelte, doch es sah eher aus, als würde er die Zähne fletschen. Revyn schauderte. »Du behauptest, dass ich mich irre, Drachenfänger?«
    »Verdammter Mist«, rief Revyn. »Ich bin kein Drachenfänger, ich habe nichts mit den Drachen zu tun!«
    Alasars Augen glühten. »Glaubst du, ich erkenne deine Uniform nicht? Das ist die Uniform eines Drachenkriegers! Du wirst tun, was ich verlange.«
    »Ich habe nichts mit Drachen zu tun.«
    »Wenn du keine Drachen zähmen kannst, wirst du sterben«, sagte Alasar ruhig. »Überlege es dir noch mal.« Er ging ein paar Schritte zurück und drehte sich um. Leise verschwand er in der Dunkelheit.
     
    Der Abend dämmerte, als Yelanah die Lichtung erreichte. Matt hoben sich die Birkenkronen vom samtigen Himmel ab und rauschten im Atem des Windes. Die tiefen Gerüche des Waldes spülten ihr entgegen und mischten sich mit jenem unbestimmten Duft, den man nur fühlen konnte - der aus einer anderen Welt zu kommen schien wie eine schwebende Empfindung: der süße, schläfrig machende Duft der Elfenhaine.
    Isàn ging in die Knie, damit Yelanah von seinem Rücken gleiten konnte. Sie kam auf die Beine und machte mehrere wackelige Schritte auf das Tal zu. Einen Moment lang verschwammen die ockergelben Lichter vor ihr, die aus den Laubhütten blinzelten, und das silbrige Blau der Dämmerung verschluckte alles vor ihren Augen. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und schmeckte Blut. Ohne sich noch einmal zu der Drachenherde umzudrehen, ging sie auf die Lichter des Dorfes zu.
    Ihre Füße strichen durch das kühle Gras. Grillen sprangen vor ihr durch die Wiese. Immer näher kamen die gelben Lichtpunkte und immer schwächer wurden Yelanahs Schritte. Helligkeit und Finsternis begannen, im Takt ihres Herzschlages zu pochen. Eine Tür aus Laub erschien vor ihr. Kaum hatte sie eine Hand auf das Rankengeflecht gelegt, öffnete sich der Vorhang.
    Yelanah kniff die Augen zusammen, als ihr das Licht entgegenströmte. Khaleios tauchte auf, mit einem Gesicht so sanft und unheimlich wie eh und je.
    Nun vermochte Yelanah sich nicht mehr aufrecht zu halten - ein fester Knoten schien sich in ihr zu lösen und zerfiel in unzählige Schauer. Mit Tränen in den Augen blickte sie zu Khaleios auf.
    »Khaleios... Vater«, schluchzte sie. Als sie wankte, fasste Khaleios sie an den Armen. Suchend starrte er ihr in die schwimmenden Augen.
    »Ich brauche deine Hilfe«, murmelte Yelanah, und erneut strömten ihr Tränen über das Gesicht. Oh, was war sie schon - nichts, nur ein Kind, das Kraft und Stärke vorlügen wollte. Doch sosehr sie sich auch schämte, es ging um mehr als um Khaleios und sie.
    »Hilf mir, Khaleios. Es ist wegen des Menschenjungen.«
    Er sagte noch immer nichts und seine Miene blieb unverändert.
    Dann schob er sie behutsam in die Hütte. »Komm. Dein Volk wird dir die Wunden verbinden und heilen, Meleyis . So wie immer.«
     
    Yelanah schlief lange und tief dank der Elfenkräuter. Der würzige Geruch der getrockneten Arzneien verfolgte sie bis in ihre Träume. Dort sah sie Revyn in einem schwarzen Meer aus schlagenden und tretenden Körpern. Sie hielten sich fest umklammert, doch die Kräfte, die sie entzweirissen,

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