Das dreizehnte Opfer: Thriller (German Edition)
jemand einen rostigen Kompass genau zwischen die Schulterblätter rammte.
In der vorderen Bar hockten übernächtigte Gestalten in einem Dunst aus schlechtem Atem und abgestandenem Bier. Das Metallgitter vor der Reihe von Zapfhähnen und der Batterie von Spirituosen war noch heruntergelassen, doch davor herrschte schon reges Gähnen und Strecken. Verschiedene Sitznischen und sofaartige Bänke in Hufeisenform waren um kleine runde Tische gruppiert, auf denen sich persönliche Gegenstände häuften. Es sah aus wie ein Flüchtlingslager am Morgen nach einem Besäufnis.
Dr. McDonald fingerte an ihrer Brille herum. »Danke, dass Sie nicht … Sie wissen schon, danke, dass Sie mir die Kabine überlassen haben, ich weiß, es scheint wahrscheinlich albern, aber mir ist es wirklich unangenehm, wenn –«
»Hab ich doch gar nicht.« Ich schwang die Füße auf den blau-grünen Teppichboden, saß einen Moment blinzelnd da und rieb mir den Schlaf aus den Augen. Ein Hustenanfall schüttelte mich durch, und der Schmerz zuckte mir durch die Rippen. »Sie schnarchen !«
Sie zog den Kopf zurück, wovon sie ein Doppelkinn bekam. »Ich schnarche nicht , das ist –«
»Ich dachte schon, die Furzerei wäre schlimm, aber du lieber Gott – das klingt ja bei Ihnen, als ob jemand eine Mülltonne mit der Kettensäge zerlegt.« Eins, zwei, drei … Ich hob das Hinterteil vom Sitz und richtete mich dann nach und nach gerade auf. Überall zwickte und zwackte es.
»Sie waren da ? Sie waren in der Kabine, während ich geschlafen habe?« Ihre Augen weiteten sich, und die Röte schoss ihr in die Wangen. Sie schlang sich beide Arme um den Leib. »Ich war nackt. Ich bin aufgewacht, und ich war nackt, und ich hatte getrunken, und ich lag nackt im Bett, als ich aufgewacht bin! Was haben … haben Sie … es war doch nicht … o nein, nein, nein, sagen Sie mir bitte, dass wir nicht –«
»Wie die Karnickel. Die ganze Nacht. Sie konnten die Finger nicht von mir lassen.« Warum passten mir meine Schuhe nicht mehr? Das war ja, als ob man einen Bernhardiner in einen Briefkastenschlitz zwängen wollte.
»O Gott …« Das Rot wurde noch eine Nuance dunkler. »Ich wollte nicht … Es war ein Fehler, und ich glaube wirklich nicht …«
Und dann haute sie mir eine runter. Nicht so fest, dass es ernsthaften Schaden angerichtet hätte, aber es tat trotzdem saumäßig weh.
»Wie konnten Sie nur? Wie konnten Sie meine Hilflosigkeit so ausnutzen, ich war betrunken, was sind Sie nur für ein Mann, Sie sind alt genug, um mein Vater zu sein, Sie widerliches, verkommenes, chauvinistisches –«
»Seien Sie nicht albern, es ist gar nichts passiert. Sie haben die halbe Nacht gekotzt und den Rest der Zeit an beiden Enden geschnarcht.«
»Ah.« Sie biss sich auf die Oberlippe und sah weg. »Verstehe, Sie wollten witzig sein, deswegen haben Sie zum Spaß behauptet, ich wäre promisk und sexuell aggressiv, während ich in Wirklichkeit ekelhaft und abstoßend bin …«
»Ob Sie’s glauben oder nicht – Sie sind nicht unwiderstehlich, und nicht alle Männer sind potenzielle Vergewaltiger.« Ich rieb mir die pochende Wange. »Und wenn Sie mich noch ein Mal schlagen, dann schlag ich zurück.«
Der Himmel war indigoblau und mit Sternen übersät, gesäumt von einem blasslila Streifen am Horizont. Der größte Teil von Lerwick lag im Dunkeln, bis auf die schwefelgelben Lichterketten der Straßenlampen und die Autoscheinwerfer, die hier und da die Düsternis durchbrachen. Doch der Fährhafen von Holmsgarth war hell erleuchtet wie ein Fußballstadion.
Mein bockiger Rollkoffer eierte und holperte, während ich hinter Dr. McDonald die überdachte Gangway entlanghumpelte. Im Neonlicht sah ich die Atemwolke, die sie hinter sich herzog.
Die Kälte drang schmerzhaft durch meine Schuhsohlen.
Shetland im November – ich musste verrückt sein.
Mit seinem gewölbten grauen Wellblechdach, abgesetzt mit roten Streifen, wirkte das Fährterminal wie ein riesiger Schweinestall.
Sie stapfte die Stufen zur Eingangshalle hinunter. Vor dem Eingang stand mit laufendem Motor ein ZetTrans-Bus, das blau-weiße Logo mit hellbraunen Schmutzflecken verziert. »Wie kommen wir eigentlich hin?«
Es kann sprechen! »Ich dachte, Sie reden nicht mehr mit mir?«
Sie reckte die Nase in die Luft. »Das war nicht nett.«
»Tja nun, es war auch nicht nett, sich die Hucke vollzusaufen, mich auf der Rechnung sitzen zu lassen und dann noch das ganze Klo vollzureihern, oder?«
Scheinwerferkegel
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