Das dreizehnte Opfer: Thriller (German Edition)
schlaff herunterhängen. »Urgh …«
»Alles klar?«
»Könnten Sie bitte Vollgas geben und irgendwo dagegenfahren?«
Ich parkte aus. Die Radlager machten wieder dieses komische pfeifende Geräusch, jedes Mal, wenn ich das Lenkrad voll einschlug. »Schnallen Sie sich an.«
»Ich will mich einfach in eine Ecke verkriechen und sterben …«
» Sie sind es doch, die unbedingt in der Kälte in der Stadt rumrennen wollte. Also, jetzt schnallen Sie sich endlich an.«
Ein Stöhnen. Sie tat, wie ihr geheißen, dann sackte sie in ihrem Sitz zusammen, als ob jemand ihr sämtliche Knochen entfernt hätte. »Er zwingt mich ständig, Whisky zu trinken. Dabei mag ich Whisky gar nicht …«
»Sie sind doch erwachsen. Wenn er Ihnen nicht schmeckt, dann trinken Sie ihn nicht.« Elegante georgianische Häuser glitten vorüber, als wir auf die Dundas Bridge zusteuerten.
»Aber dann mag er mich nicht mehr, und dann wird er mir nicht helfen , und –«
»Sie haben mit Henry telefoniert . Sie hätten genauso gut Kamillentee trinken können – wie sollte er das merken?«
Sie bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. »Er hätte es gemerkt.«
»Sie können sich doch nicht von Leuten dazu drängen lassen, irgendetwas zu tun, nur damit die Sie mögen. Es …« Scheiße, das war ja, als ob man mit einer Achtjährigen redete. Nicht meine Verantwortung – wenn sie unbedingt zusammen mit Henry ihre Leber ruinieren wollte, war das ihr Problem, nicht meins.
Die Dundas Bridge spannte sich in einem sanft geschwungenen Bogen aus weiß gestrichenem Stahl über den Kings River, gehalten von zwei Pylonen auf jeder Seite sowie dicken schwarzen Tragseilen.
Dr. McDonald stützte die Hände auf das Armaturenbrett. »Halten Sie an.«
»Was ist? Haben Sie etwas gesehen –«
»O Gott, halten Sie an, halten Sie sofort an!«
Ich trat auf die Bremse, und sie stieß hastig die Beifahrertür auf, würgte und übergab sich. Ich sah ihren gekrümmten Rücken krampfhaft zucken; mit jeder Zuckung hob sich ihr Hintern ein Stück vom Sitz.
Dann sackte sie zusammen und klammerte sich mit einer Hand am Türgriff fest, während sie in den Rinnstein spuckte. »Urgh …«
»Sind Sie sicher , dass Sie in dem Zustand Zeugen befragen wollen?«
»Urgh, Galle …«
»Was habe ich Ihnen gesagt? Hätten Sie mal lieber ordentlich gefrühstückt.«
Sie spuckte noch ein wenig, dann hievte sie sich wieder ins Auto. »Ich hatte auf dem Schiff ein großes schottisches Frühstück – ist bis ungefähr halb neun dringeblieben.«
Ich fuhr weiter über die Brücke. Der Kings River zog sich als blaugraues Band unter uns hindurch. »Muss ich Ihnen wirklich einen Vortrag darüber halten, dass Sie beim Saufen mit einem Alkoholiker niemals mithalten können?«
»Mir geht’s nicht gut …«
Na, so was aber auch.
Die Granitzunge von Castle Hill ragte über uns auf wie der Bug eines riesigen U-Boots, das aus dem Talgrund hervorbrach und alles ringsum in Schatten tauchte. Auf der anderen Seite der Brücke bog ich links ab, um die gewundenen Kopfsteinpflaster-Gässchen zu umgehen, und steuerte die beige-graue Nachkriegs-Betonwüste von Cowskillin an.
»Wo fahren wir –«
»In dem Zustand lasse ich Sie niemanden befragen: Sie verschrecken uns ja die Serienmörder.« Vor uns thronte das City-Stadion über den umliegenden Wohnblocks wie eine große metallene Domina. »Glauben Sie mir, ich weiß, was Sie wieder auf den Damm bringt.«
Wir rumpelten über den von Reifenspuren zerfurchten Matsch des Parkplatzes. Ungefähr ein halbes Dutzend Idioten marschierten vor dem Eingang der Westing-Arena immer im Kreis herum und zogen weiße Atemwölkchen hinter sich her; alle schwenkten Plakate mit Parolen wie » GLÜCKSSPIEL IST DES TEUFELS! «, » NACH REICHTUM GIERT EIN NEIDISCHER MENSCH! « und » JESUS WIRD UNS VON UNSEREN SÜNDEN ERLÖSEN !!!«
Von vorne gesehen strahlte die Westing-Hunderennbahn mit ihrer gesichtslosen, grau und blau gestrichenen Well blechfassade den Charme einer Großmarkthalle in einem he runtergekommenen Gewerbegebiet aus. Über dem etwas zurückgesetzten Eingang waren zwei Meter hohe Plastiklettern montiert: » THE WESTING « – dazu die Silhouette eines rennenden Windhunds, geformt aus blauen und roten Neonröhren. Als ob irgendjemand nicht wüsste, was das hier für ein Laden war. Oder wem er gehörte.
Ich parkte neben einem verbeulten Minibus, auf den jemand » PÄDO-PAPAMOBIL « gesprayt hatte, und kletterte hinaus in den kalten Nachmittag.
Die
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