Das dritte Leben
zurückgewonnen.
Die Tränen versiegten.
Renate blickte ihn lange an. »Vielleicht hast du recht«, murmelte sie. »Aber warum, warum haßt sie mich so?«
»Das werden wir feststellen«, sagte Richard ruhig.
Sie griff schnell nach seiner Hand. »Nein. Bitte nicht. Nichts mehr tun. Laß uns nach München fahren. Ich will mit diesen Leuten nichts mehr zu tun haben!«
Schüchtern klopfte es an die Tür.
»Kommen Sie herein, Herr Hallig«, rief Richard.
Hallig streckte den Kopf ins Zimmer. »Darf ich?« fragte er zögernd.
Ein Lächeln, strahlend und hell, erschien auf Sabines Gesicht.
Einen Moment lang spürte Richard so etwas wie Eifersucht, aber dann ging er zu dem jungen Mann, nahm ihn beim Arm, führte ihn zum Bett.
»So, und nun sind Sie dran«, sagte er. »Ich habe noch etwas zu erledigen.« Und mit einem Blick auf Sabine: »Ich muß noch ins Hotel, weißt du. Und draußen wartet noch das Taxi«, er lachte gezwungen. »Ich bin in einer halben Stunde zurück. Rühren Sie sich nicht von der Stelle, Hallig. Versprechen Sie mir das?«
»Es gibt nichts, was ich lieber täte«, entgegnete der junge Mann.
Er wandte sich Renate zu. »Wie geht es Ihnen?« fragte er behutsam.
»Ihnen« – sagte er. Richard schloß leise die Tür hinter sich. Jetzt brauchte er sich bestimmt keine Sorgen mehr zu machen – nicht, was das Verhältnis von Hallig zu Renate anging.
Richard eilte den Flur entlang, stand wieder in der Wachstube. »Wann kann ich meine Tochter abholen?« fragte er.
»Doktor Kaiser kommt nachher noch mal vorbei. Ich weiß nicht genau«, sagte der Wachhabende und sah Richard forschend an. »Vielleicht müssen wir sie in ein Krankenhaus überführen.«
»Ich werde mit Doktor Kaiser sprechen.«
Der Polizist nickte. »Tun Sie das. Ich muß allerdings auch noch einen Bericht anfertigen.«
»Ich bin in einer halben Stunde zurück«, sagte Richard.
»Mann, ick hab' jedacht, Sie sind da drin festjenommen worden«, sagte der Taxifahrer.
»Gut, daß Sie gewartet haben.« Richard setzte sich neben den Fahrer. Der maß ihn mit einem belustigten Blick. »Wat denken Se denn – ick fahre weg, ohne meine Penunzen zu kriegen?«
Richard lächelte schmal.
»Wohin jetzt, der Herr?«
»Kantallee.«
»Denn man los«, sagte der Taxifahrer, »und schnell, wa, wie immer?«
»Erraten.«
12
Die Gäste waren gegangen. Im Kamin verlosch die letzte Glut. Kälte strömte zum offenen Fenster herein. Konfetti lag verstreut am Boden. Luftschlangen hingen herab, bunt, schlaff. Leere Sektgläser, halbleere Teller, eine zertretene Cocktailschale. Eisstücke, die im Silberbecher schwammen. Rauch in den Ecken. Ein vergessener Handschuh.
»Ich frage dich zum letzten Mal: Was ist hier heute gespielt worden?«
Reinhard Berglund stand neben dem Kamin, die Hände der verglimmenden Glut zugedreht. Alexa hockte auf der Couch vor dem Kamin. Sie starrte vor sich hin. Ihr Mund war schmal zusammengepreßt.
»Was wollte Warren hier?«
Keine Antwort.
»Was wollte dieses Mädchen?«
Kein Ton.
»Und dieser Mann, dieser Gertner?«
Alexa schwieg.
»Nun gut. Wie du willst.« Berglund hob seine Schultern, rieb seine Hände in einer Bewegung, als müsse er sie von Schmutz befreien. »Ich kann dich nicht zwingen, mir etwas zu sagen. Aber ich habe den Eindruck, dieser Gertner wird noch mal zurückkommen.«
Alexa hob ihr Gesicht. Ihre sonst so strahlenden Augen waren ohne Glanz.
»Ja.« Das war das erste, was sie sagte. »Ja. Und du wirst nichts tun, um mich zu beschützen.«
»Beschützen? Was redest du da?«
»Er wird kommen, um sich zu rächen.«
Fast tonlos war ihre Stimme, ein leiernder Singsang.
Berglund trat vom Kamin auf sie zu. »Wofür?« fragte er.
»Weil –.« Sie hob die Schultern.
»Sprich doch endlich!« fuhr Berglund sie an.
Die Türglocke läutete.
»Das ist er!« Alexa fuhr hoch.
»Sag mir, was passiert ist, und ich lasse ihn gar nicht erst rein!«
»Nein, laß ihn nur rein«, sagte sie.
Die Hände auf dem Schreibtisch krampften sich um einen Brieföffner. Die Knöchel traten scharf hervor. Die sehnigen Finger bogen den Stahl.
Richard sah es. Sah die Qual in diesen Händen des anderen Mannes. Sein Blick glitt höher, zum Hals, dessen Sehnen straff gespannt waren. Zum Kinn, hart, verkantet, zu dem Mund, schmal, weiß, ohne Blut. Zu der Nase, zu den Augen, groß, wild, zu der Stirn, auf der Schweiß glänzte.
Der Mund öffnete sich. »Beweise?«
Richard griff in die Innentasche seines Jacketts. Er legte
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