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Das dritte Ohr

Das dritte Ohr

Titel: Das dritte Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Curt Siodmak
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würde mich verkrampft machen. Ich bin immer noch von der Reise ermüdet und sehne mich danach, meine Augen in völliger Stille zu schließen.“
    „Ich verstehe“, sagte Wilhelm mit merkwürdiger Unzufriedenheit in der Stimme. Die Männer gingen hinaus, die Scheinwerfer erloschen langsam, bis sie von völliger Dunkelheit verschluckt waren.
    „Angenehm?“ fragte Wilhelms körperlose Stimme von der Decke herab.
    „Sehr“, sagte ich, „und schalten Sie bitte das Mikrofon ab.“ In der Dunkelheit hörte ich mein Herz schlagen und nahm die Schwingungen jedes Nervs in meinem Körper wahr. Nur der Tod befreit uns vom Stress.
    Wie ein Geizhals, der die Türen verschließt und verriegelt, wenn er endlich allein ist, untersuchte ich meine Gedanken kritisch, ordnete sie kontinuierlich und brachte sie zu einem logischen Schluß. Die Zeit des Theoretisierens war vorbei; jetzt mußten Experiment und Verwirklichung beginnen. Brauchbare Methoden mußten gefunden werden, um meine Theorien im Laboratorium zu testen.
    In meinen letzten Wochen an der Universität hatte ich aufgehört, mir irgendeine gefundene Formel zu notieren – aus Angst vor Spitzeln. Zum Glück spielte es für mich keine Rolle, ob ich meine Experimente in einem Labor testete oder in meinem Verstand. Ich speicherte die Theorie der künstlich hervorgerufenen ESP in meinen Gehirnzellen wie im Gedächtnisspeicher eines Computers.
    Ich mußte ein Medium wie Kalyanamitra finden, um es empirisch zu überprüfen. Vielleicht kannte Astrid einen Yogi oder ein Medium? Am besten wäre ein Patient der Klinik. Unter Paranoiden lassen sich viele Medien finden, und durch eines von ihnen könnte ich die ätherische Verbindung entdecken, die Kalyanamitra allem Anschein nach ausströmte.
    Der ESP-hervorrufende chemische Stoff könnte ein Trihydroxy-Derivat mit einer Diamin-Seitenkette sein. Zwei der Ring-Hydroxyle würden dabei methoxyliert. Es könnte sich um ein Abbauprodukt eines 5,6 Dimethoxyserotonin-Derivats handeln, das zwischen seinem Ringkohlenstoff und dem Stickstoff des Imidazol-Ringes gespalten wurde. Eine solche Reaktion wäre biochemisch einzigartig, obwohl ich einen Parallelfall für meine theoretische Annahme kannte. Sie ließe sich mit der Zerstörung des Indol-Ringes durch Tryptophan-Pyrrolase vergleichen, wobei das N’-Formyl-Kynurenin aus Tryptophan gebildet wird. Da die Methoxylation ein gebräuchliches Entgiftungsverfahren für Katecholamine ist, war ich zu dem Schluß gekommen, daß die freie Trihydroxyl-Verbindung in Kalyanamitras Ausatmung der natürliche Vorläufer sein müsse, also der chemische Stoff der in seinem Verstand übersinnliches Wahrnehmungsvermögen hervorrief.
    Geblendet von grellem Licht schlug ich die Augen auf, erblickte Wilhelm, der sich besorgt über mich beugte, und setzte mich erschrocken auf.
    „Wir hielten es für besser, Sie zu wecken“, sagte Wilhelm mit gezwungenem Lächeln. „Nemeth schaltete den Monitor ein, um nach Ihnen zu schauen, und Sie schienen einen heftigen Alptraum zu haben. Wovon haben Sie geträumt?“
    Nemeth, der in der Tür stand, starrte mich mit verwirrtem Grinsen an, das seinen Mund noch lippenloser machte als zuvor.
    „Ich habe nicht gern Leute ohne Beaufsichtigung in dieser Isolierzelle“, sagte er.
    „Bin ich wirklich fest eingeschlafen?“ fragte ich, denn sein bestürzter Ausdruck erweckte mein Mißtrauen. „Ich fing gerade an, mich entspannt zu fühlen.“
    „Nein, Sie hatten einen Alptraum“, sagte Magnussen. „Ich wollte, Sie hätten uns erlaubt, den Offner zu benutzen.“
    Ich erblickte Astrid im Vorraum. Sie machte eine leise, fast unmerkliche Bewegung zum Tonbandgerät hin.
    „Keine Tonaufnahmen?“ fragte ich Nemeth.
    „Sie haben uns doch ausdrücklich gesagt, daß wir keine machen sollten“, sagte Nemeth. „Natürlich haben wir das auch nicht getan, obwohl ich nicht weiß, was Sie dagegen haben sollten.“
    Ich verließ die Isolierzelle und ging zum Meßpult. Eine Krankenschwester kam mit einem Patienten herein, einem Mann mit riesigen Augen, die etwas schielten.
    „Wir müssen jetzt die Isolierzelle räumen“, sagte Nemeth hastig. Er wollte mich aus dem Kontrollraum haben, aber ich ging zum Tonbandgerät und nahm das Band heraus.
    „Es ist nichts darauf“, wandte Nemeth ein.
    „Ausgezeichnet“, sagte ich, „ich benötige ein leeres. Setzen Sie ein neues ein.“ Einen Sekundenbruchteil wollte Nemeth mich daran hindern. „Sie haben doch nichts dagegen?“ Ich lächelte

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