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Das dritte Ohr

Das dritte Ohr

Titel: Das dritte Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Curt Siodmak
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Aufenthaltsort geheim.
    Das Telefon klingelte und ich nahm den Hörer ab. Durchs Fenster erblickte ich auf der anderen Straßenseite einen Eckladen, in dem Getränke und Schokolade verkauft wurden. Ein Mann stand davor und beobachtete das Hotel. Einer von Löfflers Männern? Eine Frau verließ das Geschäft mit einem Paket, gesellte sich zu ihm und gemeinsam gingen sie davon. Mein Verfolgungswahn arbeitete mal wieder auf Hochtouren.
    Die Stimme am Apparat war nicht die der Hoteltelefonistin, statt dessen sagte eine resolute Frauenstimme: „Amerikanisches Generalkonsulat.“ Die Telefonistin hatte die Verbindung nach Anweisungen hergestellt, die nicht von mir stammten.
    „Bitte Apparat zwei-fünf-fünf!“ sagte ich – die Nummer, die auf der Nachricht stand. Ich wußte nicht, was ich zu erwarten hatte, denn ich konnte keine Gedanken per Telefon lesen.
    „Zwo-fünf-fünf“, wiederholte die Frauenstimme, „Mr. Marshalls Büro.“
    „Dr. Bolt“, meldete ich mich, und ehe ich meinen Satz zu Ende sprechen konnte, meldete sich eine joviale Männerstimme.
    „Hier spricht Marshall. Willkommen in Hamburg, Dr. Bolt!“
    „Wer sind Sie?“ fragte ich, irritiert durch die unaufrichtige Begeisterung des Mannes.
    „Ich bin der Kulturattache“, antwortete Marshall. „Ich möchte gerne mit Ihnen reden, Dr. Bolt.“
    „Worüber?“
    „Wir überprüfen gerade die Pässe aller Amerikaner in Europa. Könnten Sie bitte bei uns vorbeikommen und Ihren Paß mitbringen?“
    „Mein Paß ist in Ordnung“, sagte ich.
    „Reine Formalität, eine telegraphische Anweisung aus Washington. Befolgen Sie sie bitte und machen Sie sich keine Sorgen.“
    „Ich mache mir überhaupt keine Sorgen“, sagte ich. Wenn er wirklich Befehle aus Washington hatte, so fragte ich mich, warum die Regierung meinen Paß überprüfen wollte. Wollte man mich durch Abnahme des Passes zur Rückkehr nach Amerika zwingen?
    „Ich muß heute nachmittag einen Zug nach Flensburg nehmen. Könnten Sie es noch heute vormittag einrichten?“
    Der Mann hatte es zweifellos eilig.
    „Ich werde versuchen vorbeizukommen“, sagte ich, „und festzustellen, was Sie im Sinn haben.“
    „Wie bitte?“ Er verstand die Zweideutigkeit meiner Bemerkung nicht. „Nennen Sie mir nur eine Zeit – ich möchte Sie sehr gerne kennenlernen.“
    „Das werden Sie auch!“ sagte ich und hängte ein.
    Nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte, klingelte das Telefon sofort wieder. Es war Wilhelm.
    „Dr. Bolt? Hier spricht Wilhelm.“
    „Woher wissen Sie, wo ich bin?“ fragte ich.
    Nach einer verdutzten Pause sagte er: „Ich … Dr. Kubatschew hat es mir gesagt. Er hat mir von dem schrecklichen Zwischenfall erzählt. Dr. Nemeth muß den Verstand verloren haben! Ich habe überhaupt nichts von seinem Zustand geahnt. Wir sind alle zutiefst erschüttert. Ich bin nur froh, daß Ihnen nichts zugestoßen ist.“
    „Ich frage mich, woher Kubatschew wußte, daß ich hier bin“, sagte ich.
    „Er wird gleich hier sein. Könnten Sie bitte unverzüglich in die Klinik kommen? Ein Notfall ist eingetreten und wir benötigen Ihren Rat. Wir haben Astrid angerufen und sie aus dem Bett geholt. Aber sie konnte uns in diesem Fall nicht viel helfen.“
    Hatte er sie aus dem Bett geholt, damit sie Madame Dolores zur Stelle schaffen sollte? Über die Telefonleitung und eine Entfernung von fünfzehn Kilometern konnte ich keine Gedanken lesen.
    „Ich werde im amerikanischen Generalkonsulat erwartet.“
    „Ich wollte, Sie würden erst hier vorbeikommen“, sagte Wilhelm, und ich spürte seine Besorgnis. „Es ist sehr dringend!“
    „Worum handelt es sich denn?“ fragte ich. „Können Sie mir das nicht am Telefon sagen?“
    „Es wäre besser, Sie würden kommen“, sagte er ausweichend. „Bitte.“
    „Na schön!“
    Ich legte auf. Mich reizte es, dieses Netz Faden für Faden zu entwirren. Wilhelm mußte gewußt haben, daß Astrid Madame Dolores abholen sollte. Er hatte mich angelogen. Wenn Washington etwas von 232 erfahren hatte, dann arbeitete der Mann vom Generalkonsulat gegen Kubatschew, Bauer und seine Freunde.
    Ich ging nach unten, wo Löfflers Spitzel immer noch Zeitung las.
    „Ich fahre zur Ottendorfer Klinik“, sagte ich zu ihm. „Das interessiert bestimmt Ihren Chef!“
    Er war schockiert, daß ich wußte, wer er war und versuchte, den Arglosen zu mimen.
    „Wie bitte?“ Es gelang ihm, überrascht auszusehen. „Ich weiß wirklich nicht, was Sie meinen.“
    „Rufen Sie Löffler an und

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