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Das dritte Ohr

Das dritte Ohr

Titel: Das dritte Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Curt Siodmak
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vorbringen würde, daß nur Wissenschaftler die Kontrolle über meine Entdeckung des künstlich erzeugten ESP haben sollten, da nur Wissenschaftler diese Macht nicht mißbrauchen würden. Würden sie das wirklich nicht?
    Jede Gruppe war überzeugt davon, daß nur ihr Weg der einzig Vernünftige zum Paradies war, und jede hegte diesen Glauben aus Selbstsucht.
    Mir blieb nichts anderes übrig, als meine Koffer zu packen und mit einem Flugzeug Hamburg zu verlassen. Aber wohin? Ich wußte es selbst nicht.
    Ich wollte zum Generalkonsulat gehen, um meinen Paß überprüfen zu lassen – sie könnten ihn mir unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit abnehmen. Die Menschen reden von Freiheit, während sie immer mehr vom Netz der Vorschriften und Gesetze umgarnt werden, die sie den Machenschaften der Bürokratie unterwerfen.
    Mein Vorrat an 232 war durch den ständigen Gebrauch fast erschöpft, aber ich hatte nicht den Wunsch, ihn zu erneuern. Bald gäbe es kein 232 mehr und auch die Frage, ob und wie es angewandt und wem es gegeben werden sollte, wäre dann nur noch ein theoretisches Problem. Die Aufzeichnungen über seine Eigenschaften hatte ich größtenteils in meinem Kopf, der auch der Aufbewahrungsort für die Isolierungsprozedur war.
    Ich beschleunigte meine Schritte, um einen klaren Kopf zu bekommen und um mich zu beruhigen; als ich an der Portiersloge vorbeiging, erblickte ich einen Mann, der sich lässig an eine Autotür lehnte: Kubatschew!
    Ich beachtete ihn nicht, trat auf die Straße und hielt Ausschau nach einem Taxi, aber ich hörte, daß er mich rief. Es war die gleiche tonlose Stimme, die sich mir mitteilte, wenn ich nach der Einnahme von 232 Gedanken las – eine zwar körperlose Stimme, aber so prägnant und klar, als spräche sie in mein Ohr.
    Kubatschew grinste; er sah selbstgefällig aus und hatte den unerforschlichen Ausdruck verloren, der ihn einer asiatischen Statue ähnlich machte.
    Bolt! Seine Lippen bewegten sich nicht, seine Augen waren auf meine gerichtet. Ich möchte Sie sprechen.
    Sein Mund war geschlossen, und ich zuckte bei der Erkenntnis zusammen, daß er ohne den Gebrauch seiner Stimmbänder zu mir gesprochen hatte. Er lächelte, denn er wußte, daß ich mit meinem dritten Ohr hören konnte.
    Wollen Sie nicht zu mir kommen? Es könnte Sie interessieren, was ich zu sagen habe, sagte sein Geist.
    Erst dann drang der Schock der Erkenntnis in mein Bewußtsein.
    232 war in seinem Besitz!
    Wie war das möglich? Er hatte nicht genügend Zeit gehabt, um die Verbindung zu isolieren, und bestimmt nicht genügend Zeit, um selbst das 232 herzustellen. Ich war sicher, daß ich kein raffiniertes Material im Labor zurückgelassen hatte, aber hatte ich die Fluorosilsäule gereinigt, die ich bei der letzten Raffinationsstufe benutzt hatte? Hatte ich alles aus der Säule entfernt?
    Großartig, vermittelte Kubatschew mir. Jetzt habe ich den Beweis. Ich habe mich immer gefragt, ob ein Gedankenaustausch zwischen Menschen ohne Wörter oder Zeichensprache stattfinden könnte, Telepathie! Sie funktioniert! Was halten Sie von dieser Gedankenübertragung? Sollten wir sie nicht gemeinsam erforschen? Er schaute auf seine Uhr. Es ist elf Uhr einunddreißig am 13. Juni. Wir wollen uns diese Minute merken, eine Minute, die genauso bedeutend in der Geschichte der Menschheit ist, wie die Explosion der ersten Atombombe!
    Obwohl es mich reizte, mich ihm zu stellen und zu erfahren, wie er in den Besitz des 232 gelangt war, ging ich weiter. Da erblickte ich zwei Männer. Sie sahen wie Matrosen aus; der eine hatte ein pockennarbiges Gesicht, der andere trug eine Sonnenbrille, die seine Augen und einen Teil seiner Wangen verdeckte. Sie beobachteten mich. Wieder verspürte ich jene schrille Warnung vor körperlicher Gefahr, die ich empfunden hatte, als Nemeth hinter mir in dem Zimmer in der Övelgönne gestanden hatte. Die Männer hatten die Hände in den Taschen, und ich wußte, daß sie mich nicht vorbeilassen würden.
    Sind Sie nicht reichlich melodramatisch? lautete der Gedanke, den ich Kubatschew sendete und mich in seine Richtung wandte.
    Das Leben ist oft melodramatisch. Er grinste immer noch. Sie sollten lieber mit mir kommen, Bolt. Ich möchte nicht, daß Sie verwundet werden.
    Nein, das würde nicht in Ihren Plan passen, vermittelte ich ihm, ohne mich von der Stelle zu rühren.
    Das mag sein – oder auch nicht. Sein Gedanke war unheilvoll. Ich sah, daß die beiden Männer näher kamen und fand es töricht, den Helden

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