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Das dritte Ohr

Das dritte Ohr

Titel: Das dritte Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Curt Siodmak
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nach getrennter Herstellung zu verbinden.
    Plötzlich bemerkte ich Kubatschews Gesichtsausdruck. Obwohl er meinen Blick mied, spitzte er sein drittes Ohr. Wie viele Informationen hatte ich ihm unfreiwillig gegeben?
    Ich registrierte auch ein erstaunliches Phänomen: das Schiff war nur einen knappen Meter vorangekommen, während mir all diese Gedanken durch den Sinn gingen. Dessen war ich sicher, denn das Schiff hatte ich bei der Abfahrt etwas zur Seite geneigt und richtete sich eben wieder auf. Ich hatte in meiner Wachsamkeit für den Bruchteil einer Sekunde nachgelassen und Kubatschew dadurch Gelegenheit gegeben, sie zu durchbrechen.
    „Ich habe gerade einige Informationen von Ihnen erhalten“, sagte Kubatschew freudestrahlend auf meine Gedanken. „Vielleicht bin ich jetzt in der Lage, die fehlenden Glieder zu finden.“
    „Versuchen Sie es nur.“ Ich schüttelte seine Vermutung ab. „Ich habe nicht an eine vollständige künstliche Herstellung gedacht.“
    „Sie haben mir gerade einen triftigen Grund gegeben, in Ihrer Nähe zu bleiben. Es scheint unmöglich zu sein, seinen eigenen Verstand unter Kontrolle zu halten. Dazu bedarf es wohl einer Spezialschulung von Kindheit an.“
    Ich erschreckte ihn durch eine unerwartete Frage: „Warum versuchte Happala das Flugzeug nach Kemijärvi zu entführen?“
    Aus dem Lautsprecher dröhnte das Geschwätz des Fremdenführers, und ich wußte nun, warum Kubatschew sich diesen Platz ausgesucht hatte: um möglichst weit von der lästigen Stimme entfernt zu sein. Das Schiff fuhr an einer Reihe von Frachtdampfern vorbei, deren schwarze Wasserlinien so hoch lagen, daß sich der rote und weiße Kielanstrich zeigte. Wir tuckerten an einem geradezu endlosen Riesentanker von einer Viertelmillion Bruttoregistertonnen entlang. Seltsamerweise flößte er mir Platzangst ein.
    „Happala?“ Er war überrascht, daß ich den Namen kannte. Wollten Sie mich entführen, wie Sie es jetzt tun? fragte ich, wobei ich zur telepathischen Kommunikation zurückkehrte, die meine übrigen Gedanken verbarg.
    „Ich habe Ihnen doch schon gesagt, daß wir Sie nötig haben“, sagte Kubatschew.
    „Sie haben mich durch eine List nach Hamburg gelockt, das hat mir Bauer erzählt.“
    „Ja, wir haben Sie aus den Vereinigten Staaten herausgeholt, indem wir Sie dort durch Regierungsüberwachung unglücklich machten. Heinemann hat uns dabei geholfen.“
    „Wieviel weiß er?“
    „Nichts“, antwortete Kubatschew. „Auch Wilhelm und Magnussen nicht. Da ich Sie beobachtete, wurde mir sehr bald klar, daß Sie vor jeder Art von Fesseln auf der Hut waren. Aber Sie sind von Natur aus paranoid, und ich spielte mit diesem paranoiden Zug in Ihnen, so gut ich konnte. Erinnern Sie sich noch, daß ich mich Ihnen gegenüber beklagte, daß jemand meine Post öffnete und heimlich Aufzeichnungen las, die ich unter Verschluß hielt? Ich nahm an, daß Sie hinsichtlich Ihrer Post und Ihrer Aufzeichnungen zum selben Schluß kämen. Ich markierte Ihre Aufzeichnungen. Ein- oder zweimal ertappten Sie mich, als ich Ihren Papierkorb durchwühlte. Das tat ich absichtlich und es klappte. Sie dachten, daß Sie auf ‚ihrer’ Liste stünden. Es sind immer ‚sie’, Bolt. Nebelhaft, erschreckend in ihrer Anonymität. ‚Sie’ existieren vielleicht nicht, aber ‚sie’ haben schon Revolutionen entfesselt. Ich spielte mit Ihren Ängsten und hatte Erfolg. Sie verließen Kalifornien. Ich wollte Sie in Europa haben!“
    „Warum aber Kemijärvi?“ wiederholte ich.
    „Dort gibt es eine Landebahn“, sagte er ausweichend. Ich ärgerte mich weniger über seine Hinterhältigkeit als über meine Leichtgläubigkeit. Für wie schlau wir uns selbst halten! Wir fallen auf die primitivsten Tricks herein, wenn sie unseren Schwächen schmeicheln. Kubatschew war ein besserer Psychologe als ich. Es waren immer ‚sie’, die man bekämpfte. Ich hätte nicht meiner Selbsttäuschung zum Opfer fallen und mich so leicht überlisten lassen dürfen. Ich hatte mir nie eingestanden, daß mich selbst die Schuld traf.
    „Warum wollten Sie mich, um Himmels willen, nach Kemijärvi bringen?“
    „Von Kemijärvi aus gibt es nur eine einzige Eisenbahnstrecke, und die endet in Murmansk. Sie hätten wohl kaum Kemijärvi verlassen, um nach Rußland zu fahren, oder? Es gibt in Kemijärvi Laboratorien, in denen Sie gearbeitet hätten.“
    „Wieso sind Sie dessen so sicher?“
    „Sie besitzen einen gesunden Menschenverstand und hätten auf die Dauer unseren

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