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Das dritte Ohr

Das dritte Ohr

Titel: Das dritte Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Curt Siodmak
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die offensichtlich zur Mannschaft der Märthe gehörten, zurückblieben.
    Ich gelangte in eine geräumige, komfortabel eingerichtete Kabine. Eine große Weltkarte bedeckte eine Wand; an einer anderen hingen Waffen aus Neuguinea – Schilde, Speere, Dolche und Bogen. Es war eine gutbestückte Bar vorhanden und ein Tisch mit schweren Sesseln; ein Schreibtisch stand in der Ecke. Ein breites Fenster bot Aussicht auf den Hafen; über die dicke Scheibe rannen Regenbäche. Nebel hüllte die Docks ein, die aufragenden Rümpfe der in See stechenden Schiffe reihten sich Bug an Heck, wie eine Kriegsflottille endlos aneinander.
    Wie ich vermutet hatte, erwarteten Laqueur und Burns uns in der Kabine. Es hatte keinen Sinn, sich bei ihnen über meine Entführung zu beschweren – da sie sie ja veranlaßt hatten.
    „Wo ist Bauer?“ fragte ich, als wir eintraten.
    „Der spielt Dudelsack“, antwortete Laqueur leichthin. „Wir konnten ihn nicht dazu bewegen, das Schiff zu besteigen. Er ist schrecklich wasserscheu.“
    Geistig beglückwünschte er Kubatschew, weil er mich erfolgreich auf dieses Schiff gebracht hatte. Kubatschew grinste selbstzufrieden und warf mir dann einen Verschwörerblick zu.
    Sie wissen nicht, daß ich ihre Gedanken lesen kann, vermittelte er mir. Verraten Sie mich nicht! Lassen Sie uns feststellen, was sie vorhaben.
    Ich dachte an nichts, gönnte ihm keine Antwort. Er wollte sich bei mir einschmeicheln, aber hinter diesen Gedanken lauerten gefährliche, die ich zwar ahnen, aber nicht erkennen konnte.
    Burns saß hinter dem Schreibtisch und hatte ein Glas Whisky in der Hand. Obwohl er gelockert und freundlich aussah, spürte ich seine Spannung.
    Kubatschew genoß seine neue Allmacht genau wie ich, als ich mein drittes Ohr entdeckt hatte. „Ich habe Dr. Bolt überredet, mich zu begleiten“, sagte Kubatschew und unterdrückte jenen boshaften Trieb, seine Macht zu enthüllen und sie wissen zu lassen, daß ihre innersten Gedanken nackt vor ihm lagen. Ich spürte, daß er seine Macht nie freiwillig mit ihnen oder einem anderen teilen würde. Ich war neben ihm der einzige, der ebenfalls diese geistesdurchdringende Kraft besaß – einer zuviel für ihn!
    „Wollen Sie etwas trinken?“ fragte Burns und zeigte auf die Flaschenbatterie hinter sich, während das Bild der jungen Frau immer noch seinen Geist füllte. Seit seiner letzten Begegnung mit Kubatschew war er in England gewesen und seine Gedanken beschworen immer wieder die gleiche Szene herauf: er stand vor einer schweren, geschnitzten Tür und hämmerte mit den Fäusten dagegen. „Märthe, Märthe!“ Seine Stimme klang hohl und verzweifelt; die junge Frau war ihm zur fixen Idee geworden. Ich hatte den Verdacht, daß er geisteskrank und von seiner morbiden Sehnsucht besessen war.
    Kubatschew sah mich verwirrt an, aus der Fassung gebracht durch die Flut von Burns wirren Gedanken. Ich starrte aus dem Fenster und zwang mich, die sich ballenden Wolken zu beobachten, um meine Gedanken zu blockieren. Ich wollte ihm in keiner Weise behilflich sein.
    „Sie sind in London gewesen“, sagte Kubatschew; er machte damit den ersten einer Reihe von Fehlern. Es bedurfte wohl Monate, ja vielleicht sogar Jahre harter Übung, um 232 unter Kontrolle zu bekommen. Die hatte weder er noch ich. Vielleicht war es überhaupt unmöglich. Obwohl ich ein Gefangener auf der Märthe war, konnte ich nicht umhin, jedes Detail vom unbeteiligten Standpunkt des Wissenschaftlers aus zu registrieren. Ich glaube, ich würde sogar meinen eigenen Tod mit wissenschaftlicher Neugier beobachten.
    Sofort erlosch das Bild in Burns Geist, und er konzentrierte sich auf Kubatschew. „Woher wissen Sie das?“ Er trank einen großen Schluck aus seinem Glas, ohne Kubatschew aus den Augen zu lassen.
    „Ich fragte aufs geratewohl!“ Kubatschew lachte. Er warf Laqueur, der ihn belauerte, wie die Spinne eine Fliege, einen raschen Blick zu. Beide Männer hatten plötzlich den Verdacht, daß Kubatschew, möglicherweise mit meiner Hilfe, Zugang zu dem Geheimnis des 232 bekommen hatte. Kubatschew zerstreute hastig ihren Argwohn.
    „Und Sie sind in Paris gewesen?“ Er wandte sich an den Franzosen. „Stimmt’s?“
    Ich erwartete Löfflers baldiges Eintreffen. Das Schiff lag im Trockendock und konnte deshalb nicht plötzlich auslaufen. Kubatschew riß mißtrauisch den Kopf zu mir herum, aber ich konzentrierte mich auf Laqueur, der seinen hageren Körper in einen Sessel sinken ließ.
    „Ich habe über die

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