Das duestere Vermaechtnis
Detektiv trat näher und sah sich die Sache an. Die Scheibe war von außen eingeschlagen worden, so dass man das Fenster durch den Durchbruch öffnen und hochschieben konnte. Also hatte Peter mit seinem Verdacht nicht falsch gelegen! Der nächtliche Besucher hatte sich im Kleiderfundus bedient!
Peter schob den Rahmen bis zum Anschlag hoch, zog sich am Sims hinauf und kletterte in den Holzverschlag. Obwohl es draußen inzwischen taghell war, sah Peter im ersten Moment fast nichts. Die Kleider schluckten das wenige Licht, das durch das Fenster fiel. Es roch staubig und muffig; Dennis hatte nicht übertrieben.
Die Kostüme hingen auf langen Metallstangen und waren notdürftig mit Plastikfolien abgedeckt. Als Peter mehr erkennen konnte, sah er, dass Dennis Pappschilder angebracht hatte, die die Kleider bestimmten Theaterstücken zuordneten. Neugierig zog Peter eine Folie zur Seite und eine faszinierende Welt tat sich ihm auf. Seine Hände glitten durch luftige Ballkleider der zwanziger Jahre, berührten galante Schwalbenanzüge, prüften neugierig königliches Pracht-Ornat, streichelten die weichen Samtgewänder arabischer Haremsfrauen und zuckten erschrocken zurück, als sie auf ein haariges Teufelskostüm stießen. Ein Glamour-Mantel wie aus den großen Fernsehshows zog Peter wie magisch an und er konnte nicht widerstehen, ihn sich überzustreifen. Stolz blickte er an sich hinunter und fühlte sich um mindestens eine Million Dollar berühmter. Den musste er unbedingt Bob zeigen. Aber eigentlich suchte er ja die schreckliche Maske, vor der er sich in der Nacht so gegruselt hatte, und kein Partygewand.
Also sah sich Peter weiter um. In einem zweiten, etwas helleren Nebenraum lagerten mehrere riesige Bastkisten, auf denen Schilder angebracht waren. Peter bückte sich vor jeder Kiste und entzifferte die jeweilige Aufschrift. Eine der Beschriftungen verhieß ›Gespenster & Co‹. An einem Kribbeln auf dem Rücken spürte Peter, dass er seinem Ziel plötzlich sehr nahe war. Er krempelte die Ärmel seines ausgeliehenen Mantels ein Stück hoch und drückte den Metallriegel am Deckelverschlag zur Seite. Dann klappte er die Kiste auf. Er brauchte nicht lange zu suchen. Sie lag ganz oben. Die schwarzen Haare. Dieser bleiche Schimmer. Die dunklen Augen. Langsam und mit Abscheu griff Peter nach der Fratze.
Im selben Moment traf ihn ein Schlag in die Seite. Bevor er sich aufrichten und reagieren konnte, spürte er einen zweiten Hieb von hinten. Peter sackte vorwärts. Ein dritter kräftiger Stoß beförderte ihn vollständig ins Innere der Kiste. Ehe Peter richtig mitbekam, was passiert war, hatte ihn der Angreifer in den Behälter gestaucht, den Deckel zugeklappt und den Riegel verschlossen. Peter saß in der Falle.
Vor dem Sturm
In der Kiste war kaum Platz. Es stank nach altem Gummi, nach Plastik und nach Klebstoff. Zum Glück drang durch den Bast genug Luft zum Atmen. Aber das besserte Peters Zustand wenig. Wie ein Trottel war er in die Falle getappt. Dabei hasste er diese Art von Solo-Ausflügen! Warum ließ er sich immer wieder darauf ein? Und dieses Mal sogar freiwillig! Der Ärger über sich selbst ging über in Angst, was nun mit ihm geschehen würde. An Befreiung war nicht zu denken. Peter konnte sich nicht bewegen, geschweige denn der Seitenwand einen solch kräftigen Tritt versetzen, dass er ausbrechen und fliehen konnte. Ein Gewusel von Haaren kitzelte ihn an der Nase und gegen seine Augen pikste irgendein borstiger Stofffetzen. Peter hörte, wie sein Angreifer etwas Schweres herbeischleifte und auf den Deckel wuchtete. »So, du Nachtgespenst! Jetzt kannst du ablagern! Wer immer du bist!«
Diese Stimme kannte Peter doch! »Dennis!«, würgte er heraus.
»Dennis?«, reagierte der andere verwundert. »Sag mal, wer bist du denn?«
»Ich … ich … Peter!«
»Peter? Der Praktikant?«
Peter hörte ein Lachen. »Warum bist du in mein Lager eingebrochen?«
»Nein, nein! … Nicht eingebrochen! Das Fensterglas war schon kaputt. Ich wollte die Maske suchen, mit der man uns heute Nacht erschreckt hat. Bitte lass mich raus!«
»Oh Mann, das ist ja ein Ding! Ich habe einen waschechten Detektiv gefangen! Verkleidest du dich immer zum Spurensuchen?«
»Du meinst den Mantel? Er hatte mir so gut gefallen …« Peter musste husten.
»Na, nun steige erst mal aus der Kiste.« Dennis befreite den Deckel von seiner Last und klappte ihn hoch. Dann half er Peter beim Herausklettern.
»Und, hast du das Monster gefunden?«,
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