Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
selbst nicht in Frage. Denk immer daran, wie weit du bereits gekommen bist. Und wenn du nach vorn schaust, dann wird es für dich auch vorangehen, egal, was sich dir in den Weg stellt.
Dass hier ausgerechnet jetzt, so kurz vor dem entscheidenden Datum, von »versagen« die Rede war, passte mir gar nicht, aber ich versuchte, mich auf die positiven Aspekte des Eintrags zu konzentrieren. Sobald ich das Buch in den Nachttisch geschoben hatte, fielen mir auch schon die Augen zu, und ich schlief endlich ein.
Es kam mir so echt vor. So grauenhaft, markerschütternd echt. Wie jedes Mal hatte ich bei dem Pochen und Schaben die Tür geöffnet und diese Gestalten vor mir gesehen. Das ganze Syndikat, neue und alte Mitglieder, marschierte den Flur entlang, um mich zu holen. Während sie näher kamen, zerfielen sie immer weiter, wie tote Tiere, die in der Wüste auf die Geier warteten. Gliedmaßen und Köpfe sanken zu Boden und säumten ihren Weg. Dieses Mal führte Aurelia die Meute persönlich an und streckte mir knochige, kalkweiße Finger entgegen, Tentakel, die nun nach mir griffen. »Warum gibst du uns nicht deine Seele?«, säuselte sie auf ihrem Weg durch den Gang zuckersüß.
Dieses Mal machte der Traum nicht an meiner Zimmertür Halt. Ich rannte zum Bett hinüber, die Kreaturen kamen mir hinterher und verharrten in einiger Entfernung, während diese groteske Version von Aurelia sich über mich beugte. Ihr Auge war aus seiner Höhle gerollt und hing jetzt nur noch am zarten Nerv. »Wenn du dich uns nicht anschließt, stellst du dich damit gegen uns«, erklärte ihre süße Stimme. »Und das wirst du mit dem Leben bezahlen. Täusch dich nicht, du wirst sterben.« Sie streckte ihre dürren Finger nach mir aus und zerrte an meinen Armen. Ihre Berührung brannte wie Feuer. Während die anderen johlten, versuchte ich mich aus ihrer Umklammerung zu befreien.
Ihr lodernder Griff wanderte nun nach unten, packte meinen Flügelanhänger und zog meinen ganzen Körper daran hoch. Obwohl sie daran zerrte und zerrte, zerriss die Kette nicht. Ich hatte das Gefühl, dass mein Kopf in der Schlinge steckte. Schließlich hielt Aurelia eine Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger hoch, und direkt darüber erschien eine Flamme, wie bei einer Kerze. Das Feuer tanzte und wurde dann zu einer dünnen, scharfen Linie. Sie hielt die Kette von meinem Körper weg und durchtrennte sie mit diesem dünnen Strahl. Er brannte so heiß auf meiner Haut, dass ich befürchtete, sie habe mir stattdessen die Kehle durchgeschnitten.
»Ich stutze dir die Flügel«, fauchte sie und reichte Etan an ihrer Seite meinen Schmuck. »Und das ist noch nicht alles.« Dann griff sie so heftig nach einer dicken Strähne meiner langen Haare, dass ich dachte, sie wollte sie mir ausreißen. Stattdessen schwang sie wieder ihren feurigen Strahl, während ich aus vollem Halse schrie und mich aufbäumte. Sie packte erneut eine Handvoll Haar und säbelte es ab, dann ließ sie mich mit einem Stoß los, so dass ich aufs Bett stürzte.
Und das war alles, der Albtraum war vorbei. Das Syndikat war nicht mehr da, auch Aurelia war verschwunden, und ich keuchte völlig nass geschwitzt. Ich machte das Licht an und wartete darauf, dass meine Augen sich an die Helligkeit gewöhnten. Dann versuchte ich, wieder zu Atem zu kommen und ließ die Luft ganz bewusst in meine Lunge strömen. Als ich endlich ruhiger wurde, wischte ich mir den Schweiß von der Stirn und fuhr mir mit den Fingern durchs Haar.
Es war weg.
Ich suchte mit beiden Händen danach, aber von meiner Mähne waren nur noch Fetzen übrig. Ein schriller, langer, durchdringender Schrei entfuhr meiner Kehle. Ich konnte einfach nicht aufhören zu schreien. Ich sprang vom Bett auf, warf den Stuhl vor der Schranktür um und schaute mich im Spiegel an. Das Haar hing mir in unebenen Strähnen vom Schädel. Die Zimmertür flog auf und Lance stürzte kampfbereit herein, erstarrte jedoch, als er mein Spiegelbild entdeckte. Er sagte kein Wort. Langsam drehte ich mich um. Mein Gesicht war heiß und verschwitzt, mir standen Tränen in den Augen.
»Ich dachte, es wäre ein Traum«, murmelte ich, immer noch benommen. »Aber das war es nicht. Von Anfang an. Es war die ganze Zeit echt.«
Er kam langsam auf mich zu und berührte mein Haar, schaute sich die abgehackten Büschel an und sah mir dann in die Augen.
»Wir packen das«, beteuerte er. »Wir schaffen es.« Und nach einer kurzen Pause fügte er betont heiter hinzu: »Weißt du, wer dir
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