Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
Leute hier wirkten wie aus einer völlig anderen Dimension.
»Hallöchen. Dante und seine Mitpraktikanten«, stellte mein Freund uns vor. In den dunkel geschminkten Augen der Frau flackerte kein Wiedererkennen auf. Trotzdem nickten sie und der Mann – ein dunkelhaariger, hohlwangiger Typ, der genauso in Form war wie Lucian – uns nur zu. Sie blickten uns aber nicht direkt an, es war eher so, als würden sie durch uns hindurch sehen. Dante scherte das nicht, er starrte mit riesigen Augen auf etwas ganz anderes: »Wow, Mann, coole Treter!« Er deutete auf die Schuhe des Mannes, Sneakers aus glänzendem schwarzem Lackleder, die ich völlig unscheinbar fand. »Das sind doch ganz klar Palindromes, die limitierte Auflage, oder? Davon gibt’s nur 50 Paar?!« Er hockte sich hin, um sich die Sache aus der Nähe anzusehen. »Whoa!« Der Mann nickte wieder, gab aber keine Antwort. Dante zeigte auf die Tür. »Es ist also okay, wenn wir uns da drin mal ein bisschen umsehen?« Die Frau sagte kein Wort, der Mann griff aber nach dem Rad von der Größe eines Steuers an der schwarz angemalten Stahltür und zog sie für uns auf. »Danke, Mann«, rief Dante. Begeistert tauschten wir Blicke – das erschien uns fast zu einfach. Wir waren drin! Ich lächelte dem Mann schüchtern zu, als ich an ihm vorbeikam.
Nun befanden wir uns in einem engen, schlauchartigen Flur mit noch mehr schwarzem Stahl und gingen langsam auf die wild zuckenden Lichter zu. In der Ferne kamen tanzende Menschen in Sichtweite. Die Musik umfing uns, strömte in jede Pore.
»Wow, hier ist unter der Woche ja ganz schön was los«, meinte ich, aber meine Stimme klang nur wie ein leises Flüstern. Ob sie es nun gehört hatten oder nicht – meine Begleiter waren ohnehin viel zu fasziniert, um zu antworten. Als wir das Ende des Ganges erreicht hatten, der uns direkt in den Club befördern würde, leuchtete Schwarzlicht auf, erleuchtete den gesamten Tunnel und ließ etwas aufblitzen, das an den Wänden geschrieben stand. Schließlich hielt es an einem Flecken zu unserer Rechten inne. In üppiger Schrift, die an Zuckerguss erinnerte, stand auf diesem etwa anderthalb Meter breiten Abschnitt das Wort Lust , das nun schillerte und pulsierte.
»Nett«, urteilte Dante und zeigte darauf.
Aurelia hatte uns beim Rundgang erklärt, dass sich hier unten die sieben Todsünden abwechselten und jeden Abend eine andere gefeiert wurde. Das hatte etwas mit Markenentwicklung zu tun – es war ein Werbegag, auf den die Leute ansprangen, ein Vorwand, um teure, exklusive Drinks zu servieren.
»Das ist auf jeden Fall die beste von den sieben«, fand ich. Aber was wusste ich schon? Andererseits klang Lust einfach spannender als Trägheit oder Völlerei. Ich hätte wetten können, dass hier unten oft Lust angesagt war. Die war bestimmt gut fürs Geschäft.
Das Licht erlosch genauso schnell wieder, wie es aufgeflackert war, und wir traten mit ein paar weiteren Schritten in den Clubbereich. Es kam mir vor, als würden wir auf einem anderen Planeten landen. Einen Moment standen wir wie angewurzelt da und nahmen alles in uns auf, während um uns herum die Party tobte. Der Club war im Prinzip so groß wie ein Ballsaal, aber ohne dessen steife Formalität. Dieser Raum hier unten wirkte wie eine Höhle und erinnerte an etwas Wildes, reizvoll Primitives. Obwohl er aussah wie von der Natur erschaffen, glänzten die Oberflächen dennoch wie dunkle Lakritze. Vom Boden bis zur Decke war alles in dieses triefende Schwarz gehüllt, aber der Schein wogender Lichter in Rot- und Orangetönen wurde überall von der Haut der Besucher reflektiert und erzeugte ein teuflisches, unheimliches Leuchten. Die Wände wölbten sich wie Felsformationen. Im hinteren Bereich war eine vollgepackte, dunstige Tanzfläche mit einer Kordel abgetrennt. Dahinter flackerte eine Feuerwand wie ein Wasserfall von der Decke bis zum Boden. Hier vom Eingang aus wirkte es so, als würde da eine Aufnahme an die Wand projiziert, aber wer konnte das schon sagen?
Rund um die Tanzfläche waren halbkreisförmig Sitzgelegenheiten angeordnet, die dazu einluden, es sich gemütlich zu machen und zu feiern. Ölschwarze Stalagmiten erhoben sich als riesige, bedrohliche Kegel vom Boden aus. Manche waren hohl und hatten im Inneren Platz für samtbezogene Bänke, auf denen Pärchen nach dem Tanzen ihren müden Füßen etwas Ruhe gönnen oder aber andere Wege finden konnten, um den Puls zum Rasen zu bringen. Stalaktiten jeder Länge, Breite und
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